Museum Lagerung von Schwarzpulver unter Wasser

Dieses Thema im Forum "Museum, Firmen, Historie" wurde erstellt von Bullenwächter, 25. Juli 2015.

  1. Hallo Leute!
    Ich bin neu hier, dies ist mein erster Thread. Ich interessiere mich sehr für die Archäologie und insbesondere frühe Feuer- und Brandwaffen. Daneben hab ich eine Bescheinigung nach §27 SprenG für unsere Schussvorführungen mit rekonstruierten Feuerwaffen nach orginalen aus dem 15. Jh.

    Nun zu meinem Anliegen: Ich hatte im Magazin des Stadtmuseums Ingolstadt die Gelegenheit mir die dort lagernden Ton-Handgranaten ansehen zu können. Diese stammen aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, und lagen - teils mit Pulverfüllung und Zünder - mehere Jahrhunderte in einem Grundwasser führenden Schicht im Stadtgraben der Stadt bis sie 1983 bei Bauarbeiten gefunden wurden. Hier findet Ihr eine Abbildung einiger der Stücke:

    [​IMG]

    In einigen der Granaten waren noch Reste der Pulverfüllung erhalten, die nicht nach der Bergung delaboriert wurden. Eine sensorische (Geschmacks)Probe an meheren Stücken ergab, dass nur noch sehr fein gemahlene Holzkohle vorlag. Salpeter war definiv nicht mehr und Schwefel höchstwahrscheinlich nicht mehr vorhanden. Eine chemische Analyse der Inhaltsstoffe steht noch aus und wird hoffentlich einmal durchgeführt werden.

    Nun zu meiner Frage an die Chemiker unter Euch:
    Wie hat sich die Schwarzpluverfüllung während der Lagerung unter Wasser verändert? Haben eventuell Schwefel und Salpeter unter Wasser über die Jahrhunderte miteinander reagiert,so dass sie dann aus den Granaten ausgewaschen worden sind? Salpeter ist wasserlöslich und kann alleine deswegen schon ausgeschwemmt worden sein, das erklärt mir nicht warum kein Schwefel vorhanden war. Möglicherweise lag es aber auch daran, dass der Rest in den Granaten eine Kohle-Schwefel-Mischung war, bei der mir der Schwefel per Gemschacksprobe nicht nachweisbar war.

    Wie ist Eure Einschätzung?
     
  2. Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist elementarer Schwefel geschmacksneutral, weswegen eine Geschmacksprobe (wobei ich mich frage, wie man auf die Idee kommt so etwas zu probieren) da nicht wirklich Aufschluss geben kann.
    Was man aber mit einem relativ einfachen Test überprüfen könnte: Schwefel hat eine Zündtemperatur von 250°C, Holzkohle entzündet sich erst ab 300°C, folglich würde sich bei vollständiger Abwesenheit von Schwefel keine Flammenbildung einstellen bei einer Temperatur unterhalb von 300°C. Wenn man also ein Sandbad auf ~260-270°C brächte und dort dann eine kleine Probe aufbrächte, dann sollte nach einer kurzen Zeit der Schwefel das Gemisch entzünden...sofern er noch in der Mischung ist. Ist vielleicht nichts was man in der eigenen Küche machen sollte (SO2-Bildung), aber in einem Labor oder bei evtl draußen könnte man das relativ schnell testen, Thermometer für den Messbereich vorausgesetzt.
     
  3. Hallo Sancho

    Danke für Deine Antwort. Wie kam ich auf die Idee mit der Geschmacksprobe: Wir waren im Magazin vom Museum und ich wollte schnell eine Antwort.
    Theoretisch müsste man es auch richen können, wenn man einen kleinen Rest anzündet und Schwefeloxyd dabei herausriecht, aber dafür sind mir die Reste in den Granaten zu wertvoll um sie einfach so abzufackeln.

    Meine vordringliche Frage war, ob Salpeter und Schwefel eventuell über die Jahrhunderte miteinander reagiert haben. Das lässt sich dann wohl nur über eine chemische Analyse ermitteln, damit man auch wissenschaftlich belastbare Daten hat. Ich hoffe ich kann das Museum dazu überzeugen.....
     
  4. Also, es gibt da eine ganz einfache Möglichkeit zumindest (halb)qualitativ zu ermitteln, ob noch Schwefel in der Mischung vorhanden ist.
    Und zwar müßte man diese Mischung verbrennen, und die dadurch entstehenden Gase mit Jodpapier testen, ob sich das entfärbt.
    Siehe z.B. hier und da:

    https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0CCQQFjAAahUKEwjUs622hfzGAhXIhSwKHX5MC1I&url=http%3A%2F%2Fwww.chemieonline.de%2Fforum%2Fshowthread.php%3Ft%3D23547&ei=Coa2VdSGFciLsgH-mK2QBQ&usg=AFQjCNH1b4XhXKvliGAMSDZ-W1TI9bhnFA&bvm=bv.98717601,d.bGg
    https://www.google.de/url?sa=t&rct=...4dQqSkrnFdlAozfeXAvvIIw&bvm=bv.98717601,d.bGg
    https://www.google.de/url?sa=t&rct=...0q9OD43PDlnBg-w&bvm=bv.98717601,d.bGg&cad=rja

    LG,
    GB

    P.S. alternativ könnte man nach meinen Erfahrungen auch das Abgas in eine gut verdünnte KMnO4-Lösung leiten, und wenn sich diese entfärbt "könnte" das auch auf SO2 hinweisen.
    Man weiß ja nicht, was alles in diesem Konglomerat enthalten ist. Es gibt da schon so einige Sachen, welche auch diese Reaktion hervorrufen.
    Erster Test ist eigentlich derjenige unter dem Mikroskop, denn da dürften sich auch einige wertvollen Erkenntnisse ergeben.
     
  5. Halte ich für sehr unwahrscheinlich. Salpeter löst sich hervorragend im Wasser, wird also sehr schnell ausgeschwemmt (Grundwasser ist meist in Bewegung - wenn auch manchmal sehr langsam. Und selbst im stehenden Wasser "verschwindet" der Salpeter, weil das Nitrat im Wasser diffundiert). Schwefel wird von Bakterien sehr gerne umgesetzt, noch dazu, wenn eine Kohlenstoffquelle wie Holzkohle gleich nebendran vorhanden ist und das ganze unter Wasser lagert. Ist das Grundwasser sauerstoffhaltig, wird der Schwefel zu Sulfat umgesetzt; ist das Grundwasser sauerstofffrei, kommen Sulfide dabei raus (das riecht man dann auch - Schwefelwasserstoff stinkt nach faulen Eiern).

    Der Salpeter ist also praktisch sofort weg, und vom (elementaren) Schwefel bleibt bei jahrhundertelanger Lagerung im Grundwasser wohl auch nix mehr übrig.
     
  6. Da bin ich mir da nicht so ganz sicher, denn zur Umsetzung zu Sulfiden braucht es immer noch eine gute Portion Bakterien, die es im Grundwasser nicht immer oder nicht in der benötigten Menge gibt.
    Kommt mMn darauf an in welcher Tiefe diese Dinger lagen, und wie das Grundwasser beschaffen ist.
    Und dann noch, wie "dicht" diese Objekte waren.
    Aber das wissen wir ja nicht.

    LG,
    GB
     
  7. Da hat das 15. Jahrhundert auch seinen Weg hier her gefunden.... Beschäftige mich ebenfalls mit Geschützen und Büchsen dieser Zeit...

    Viele Grüße nach Hamborch ;)
     
  8. Hallo! Vielen Dank euch beiden für die Antworten, die mich schon ein ganzes Stück weiterbringen.

    Die Granaten gelangten in einem Abschnnitt des Stadtgrabens in der Nähe des Neuen Schlosses von Ingolstadt, also auch in unmittelbarer Siedlungsnähe, was den Eintrag von Unrat und vor allem Bakterien in den Graben sehr wahrscheinlich macht. Die Granaten sind nicht völlig dicht verschlossen. Durch die hölzerne Zündrühren ist ein langsamer aber stetiger Austausch von Flüssigeiten möglich. Zudem las ich grad in einem Zeitungsartikel vom 11.05.1983 über den Fund dass die Bauarbeiter die den Fund machten beobachteten, dass die Granaten auf einer Strohschicht lagen die wie Kuhmist stank. Das würde sehr für die von Gipsbombe vorgeschlagenen chemischen Vorgänge sprechen. Das Passt schön zusamman :D:D
     
  9. Ansonsten mal den User Pyromartin (Martin Dornseifer) anschreiben...wenn ich mich recht entsinne hat Er bei den Rekonstruktionen der Veste Coburg ,zumindest beratend mit gewirkt....
     
  10. Hallo Rocketboy25! Danke für Diene Grüße. Pyromartin werde ich gerne mal anschreiben.
     
  11. Moin!
    Und konnte Dir geholfen werden?
     
  12. Neenee, schmücke mich bitte nicht mit fremden Federn, das Chemische hat Gecko so treffend analysiert.:blintzel:
    Nach dem Gestank zu urteilen war es doch hauptsächlich ein anaerober Abbau, vielleicht wechselnd mit Überflutung und Leerlaufen des Grabens.
    Solch ein Wechsel arbeitet so etwas wie Schwarzpulver und Stroh/Mist in relativ kurzer Zeit vollkommen auf und zurück bleiben nur noch Torfähnliche Produkte.
    Die können natürlicherweise "stinken" aber eher nach Methan, H2S, manches mal phophorhaltige und noch andere organische Substanzen, die durch diesen Abbauprozeß entstehen.
    Naja, und wenn Bauarbeiter sagen, daß etwas nach Mist stinkt, dann würde ich zwar beipflichten daß es gestunken hat, aber nicht unbedingt nach Mist.
    Um das zu nuancieren braucht es wahrlich eine "trainierte" Nase.:joh:

    LG,
    GB
     
  13. Hallo Gipsbombe.
    Stimmt die chemische Umsetzung hat zuerst Benutzer gecko beschrieben, wofür ich ihm sehr danke.
    Zu der Aussage der Bauarbeiter "stinkt nach Kuhmist" ist zu vermuten, dass sie damit nur ausdrückten wollten, dass es unangenhem stank. Genaueres wird man wohl erst nach einer chemischen Untersuchung Pulverreste erfahren können.
     
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