Historie [Historie] Hintergrund der China Böller Labels

Dieses Thema im Forum "Museum, Firmen, Historie" wurde erstellt von CaMa08, 3. November 2019.

  1. #26 Red Lantern, 13. November 2019
    Zuletzt bearbeitet: 13. November 2019
    Super Berichte @CaMa08 ! Da denkt man, das man schon alles weiß über die Labels und Designs. Pustekuchen! Man kann alt werden wie ne Kuh und lernt immer noch dazu ! Ich bin gespannt auf den nächsten Bericht.
     
  2. Ich hoffe doch, das da noch mehr Berichte kommen oder ? :rolleyes::rolleyes::rolleyes:
     
  3. #28 CaMa08, 13. November 2019
    Zuletzt bearbeitet: 13. November 2019
    Das ist ein guter Vorschlag, bei den Mengen wird es sonst zu unübersichtlich. Wenn ich mit allen Labeln durch bin kann dann ein Indexeintrag im ersten Beitrag hinzugefügt werden.

    Ich darf stolz verkünden, dass Oberstudienrat @CannonCracker die Vorlage für das letzte, uns fehlende, Label gefunden hat. Wir hätten dann alle Hintergründe, sowie realen Vorlagen aller Label aus den 1960er und 1970er Jahren (ausgenommen rein grafische Darstellungen) beisammen. Erstaunlich wie manches, doch so triviales, zusammenhängt. Jedoch wird es noch einige Zeit dauern, ehe alle hier vorgestellt werden, da die Aufbereitung für das Forum noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

    Somit war unsere Expeditionsreise nach China ein voller Erfolg und wir können uns auf die Heimreise machen. Unser Bus kommt auch gleich;).
     
  4. #29 CaMa08, 17. November 2019
    Zuletzt bearbeitet: 17. November 2019
    Vorweg geht ein großes Dankeschön wieder an @CannonCracker, welcher die Vorlagen für diese Motive gefunden hat und mir das ganze so aufbereitet hat, dass ich daraus in kurzer Zeit einen Text schreiben kann.

    Die nächsten beiden Label sind zumindest in Deutschland unbekannt, wurden aber auch für europäische Exportware (z.B. Niederlande) verwendet. Man weiß ja letztendlich nie, welche Etiketten aufgeklebt wurden, wenn mal wieder bestimmte Labels knapp waren und vielleicht sind so einige Päckchen in Deutschland gelandet.

    Auf diesem Label ist ein dreiteiliges, zehngeschossiges Gebäude abgebildet, welches einen großen Haupteingang besitzt. Umgeben ist es von grünen Büschen, der Himmel hellblau mit weißen Wolken. Oben rechts in der Ecke ist das Horse Brand Trade Mark (馬牌商標), links daneben steht 第一红炮. Davor ist eine Straße zu sehen, mit einem Bus, zwei Autos, einem Fahrrad und einigen Passanten, welche scheinbar in das Gebäude hineinlaufen. Rechts davon ist das enthaltene Produkt zu sehen, eine doppelreihige Paket Cracker ähnliche Matte. Unterhalb ist ein orange-braunes Schriftfeld mit der Herstellerangabe, die je nach Produktionszeit mit der China National Native Produce & Animal By-Products Import Export Kwangtung Native Produce Branch, Tungoon Office Corporation (中國土產畜產進出口總公司廣東省土產小公司東莞支公司) oder einfach nur mit Made in Kwangtung China (中国广东制造) aufgeführt wird.

    Kanton Messe Gebäude Horse Brand Katalog.jpg
    Quelle: Dongguan Fireworks and Firecrackers Katalog (Bild bearbeitet)

    Wir befinden uns immer noch in Guangzhou/Kanton (广州市), Provinz Guangdong [früher Kwangtung] (广东省), 3,5km entfernt vom „Guangdong TV Tower“ (广东电视塔)und nur 2,2km entfernt vom CNP Branch Office. Am Haizhu Square(海珠广场) steht dieses Gebäude heute noch (Koordinaten: 23° 7'5.25"N 113°15'34.65"E).

    Aufgrund des Importembargos für chinesische Produkte vieler westlicher Staaten bis in 1950er Jahre hinein und deren stufenweiser Entfall wurde eine Messe von der staatlichen Handelsorganisation als immer wichtiger angesehen. Das alte Messegebäude war schnell an der Kapazitätsgrenze angelangt, sodass ein Neubau projektiert wurde. Baubeginn des Guangdong Trade Center (广东贸易中心) war am 30. September 1958. Bereits nach neun Monaten war das Bauwerk im Stil des sozialistischen Klassizismus fertiggestellt. Kamen Anfangs die Gäste nur aus Hongkong, Macau und weiteren südasiatischen Staaten, steigerte sich die Besucherzahl kontinuierlich und die Messe wurde zunehmend internationaler. Ausgestellt wurden nur heimische Produkte und somit natürlich auch Feuerwerk (die Feuerwerksproduktion in dieser Provinz begann vor 400 Jahren). Da die damaligen Hotelkapazitäten in Kanton bei weitem nicht ausreichten, wurden die Messebesucher in die umliegenden Städte gefahren. Genutzt wurden u.a. auch viele der 640, 1954 nach China exportierten, Ikarus 30 Busse aus Ungarn. Dieser Bus mit zweifarbiger Lackierung und markanten Äußeren ist auch auf den Label zu sehen. Sogar Autos samt Fahrer wurden extra aus Beijing eingeflogen. Die wenigen Hotels in Kanton beteiligten sich offensichtlich auch bei der Messe, wie nachfolgende Fotografie zeigt. Auf dem Dach des Yang Cheng Hotel wurde anlässlich der 1966er „Canton Fair“ (广交会) ein Feuerwerk abgebrannt.

    Kanton Messe Hotel Feuerwerk_klein.jpg
    Quelle: Fireworks of China, Seite 3 (Katalog, vermutlich erschienen zwischen 1966-1969)

    Aufgrund katastrophaler Unterkunftszustände (aufgebettet wurde teilweise im Flur; zur Frühjahrsmesse 1973 erkrankten über 500 Besucher und das Hotelpersonal durch mangelnde Hygiene der hoteleigenen Küche) blieben immer mehr Menschen der Messe fern („Alle Diener meiner Familie leben besser als dort“). Um diese Missstände zu beheben, finanzierte die Regierung mit über 60 Mio. Yuan den Bau neuer Hotels. Im Herbst 1973 fand die letzte Messe im Gebäude statt, welches in der Bevölkerung auch unter dem Namen Old Trade Fair (旧交易会) bekannt ist. 1973 erschien vermutlich deshalb eine Briefmarke mit eben diesem Motiv.
    Heute ist dieser Komplex ein Einkaufscenter und unter dem Namen HighSun Binbin Plaza (海印缤缤广场) bekannt.
    Während der kulturellen Revolution (1966-1976) änderte sich auch die Ausgestaltung der Messe. Die Neuerungen wurden von Mao Zedong höchstpersönlich verfasst, so mussten zum Beispiel alle Angestellten die Tagespresse lesen und Zitate vom Vorsitzenden lernen. Selbst ausländische Geschäftsleute waren angewiesen sich an diese Gebote zu halten.

    Dieses Label ist das (bis jetzt) einzige, welches direkt mit Feuerwerk in Verbindung gebracht werden kann, da zur Messe sicherlich auch Feuerwerkskörper als heimisches Produkt präsentiert wurden. Zwar erweckt der monumentale und massive Bau im sowjetischen Stil die Vormachtstellung der kommunistischen Partei, und auch der Fortschritt durch die Busse ist versinnbildlicht, jedoch wird die politische Bedeutung dieser Szene durch die Geschichte des Gebäudes und der Messe erst richtig deutlich.

    Aufgrund der Geschichte der Messe könnte man schlussfolgern, dass dieses Motiv nur von 1960 bis 1974 genutzt wurde, jedoch ist es immer wieder in Katalogen zu finden. Selbst heute bietet ein Hersteller Päckchen mit diesem Label an, zwar ohne Horse Brand, dafür jedoch mit originaler Horse Brand Artikelnummer, der T796.
    Da diese Sorte von Knallkette bei uns unbekannt ist, noch einige Informationen zu den 第一红炮. Im Katalog werden diese als First Crimson Crackers (deutsch: „erste hochrote/Karmesin Knaller“) benannt, was jedoch nicht korrekt zu sein scheint. 第一红 (lat.: Rhus Typhina, deutsch: Essigbaum) ist wohl die treffendere Übersetzung, da die roten Blätter des Essigbaums mit den Papierschnipseln der Knaller assoziiert werden können. Die Abmessungen eines Knallers betragen 1 5/8“ x 11/32“.



    Die nächste Illustration zeigt abermals ein zehngeschossiges Gebäude, mit zwei Seitenflügeln und einen Mittelteil mit Rundturm und darauf montierter Antenne. Umrahmt ist dieses Bauwerk mit Bäumen, der Himmel hellblau mit weißen Wolken. In diesem prangt rechts oben wieder das Horse Brand Trademark (馬牌商標), links oben steht mit roten Lettern 閃光炮 (deutsch: Blitz Knaller). Auf der linken Bildseite befindet sich wieder ein stilisierter Böller mit bunter Banderole und zweisprachigem Aufdruck. Unterhalb des Gebäudes steht FLASHING CRACKERS.

    PLATZHALTER (bis Erlaubnis des Urhebers vorliegt, danach bitte löschen und Bild einfügen)

    Quelle: http://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/o_paklabels/thumbs/phoca_thumb_l_A0096.jpg aufgerufen am 17.11.2019 um 16:12Uhr

    Wie auch schon das Guangdong Trade Center (广东贸易中心) ist dieses Bauwerk im Stil des sozialistischen Klassizismus gehalten. In den 1950er Jahren entstanden zahlreiche Gebäude dieser Art in ganz China, einige ähneln sich sogar sehr. Das auf diesem Etikett zu sehende Bauwerk ist das Bürogebäude der staatlichen Radio- und Fernsehverwaltung (國家廣播電視總局) ( 39°54'17.4"N 116°20'51.6"E) in Beijing/Peking.

    Die nationale Radio- und Fernsehverwaltung ist für die Überwachung und Verwaltung der Fernseh- und Radioinhalte verantwortlich und sitzt dort noch heute. Vielleicht wurde sogar damals die Produktion des Zeichentrickfilms 草原英雄小姐妹 (deutsch: „Die heldenhaften Schwestern des Graslandes“) dort angewiesen?

    Dieses Motiv symbolisiert den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt in China und gleichzeitig die Allmachtsstellung der kommunistischen Partei in den damaligen Medien.

    Da dieses Label recht unbekannt ist und nur wenige Exemplare existieren, wird der Verwendungszeitraum in den 1960er und 1970er Jahren liegen. Neben den obigen gibt es noch eine zweite Variante, bei der das Gebäude von der Blickrichtung links (von der Straße aus) zu sehen ist. Der Himmel ist in Rottönen gehalten, oben links befindet sich ein gelb hinterlegtes Horse Brand Trademark und wie eine Schärpe verläuft ein Textfeld mit der Aufschrift 馬牌炮竹 (deutsch: Horse Brand Firecrackers) über dieses Motiv. Im unteren Bereich findet sich ein blaues Schriftfeld mit der bekannten Aufschrift China National Native Produce & Animal By-Products Import Export Kwangtung Native Produce Branch, Tungoon Office Corporation (中國土產畜產進出口總公司廣東省土產小公司東莞支公司). Eine mehrreihige Knallkette ragt von oben in das Motiv herein, sodass dieses Etikett für diese Art von Knallkörpern gedacht war.

    Daneben wurde das Bürogebäude der staatlichen Radio- und Fernsehverwaltung auch auf Fontänen verwendet, wie dieses Beispiel zeigt:

    PLATZHALTER (bis Erlaubnis des Urhebers vorliegt, danach bitte löschen und Bild einfügen)

    Quelle: http://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/o_sier_fonteinen/thumbs/phoca_thumb_l_0407.jpg aufgerufen am 17.11.2019 um 16:13Uhr
     
  5. @CaMa08 wo findet man eigentlich diese chinesischen Schriftzeichen? Gibt es da eine spezielle Tastatur?

    Und... kannst Du chinesische Zeichen lesen?
     
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  6. Sehr schön :good: @CaMa08 sollte einen Doktortitel des Forum erhalten. Deine Recherchen und Infos sind unwiederbringlich und tragen absolut zur Forumskultur bei. Solche Geschichten lese ich sehr gerne und sind bedeutend für unseren historischen Werdegang.

    Mehr davon :good::good:.
     
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  7. In der Grundschule hätte es folgenden Stempel gegeben: "Prima. Weiter so!" ;)
    Wieder mal höchstinteressant, bitte mehr davon.
     
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  8. Hat er doch?! :D

    upload_2019-11-17_19-19-31.png
     
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  9. #34 CaMa08, 17. November 2019
    Zuletzt bearbeitet: 17. November 2019
    Da gibt es verschiedene Wege, anfangs habe ich wirklich alle Zeichen einzeln gesucht (es gibt eine Website wo man diese nachzeichnen kann) und mir eine Datei der Wichtigsten Wörter erstellt. Nachdem ich aber herausgefunden hatte, dass die Google Translator App Texte sogar in Echtzeit übersetzt, bin ich dann darauf umgestiegen (die ganzen Übersetzungen von div. Texten sind nur dadurch möglich). Mittlerweile habe ich eine Datei mit vielen Begriffen und Bezeichnungen, welche mir helfen bestimmte Sachen schnell zu finden. Aber über eine Tastatur habe ich auch schon nachgedacht :D

    Mittlerweile kann ich bestimmt 40+ Schriftzeichen lesen, natürlich alle Feuerwerksbezogen, was die Suche deutlich beschleunigt.

    Danke, jedoch muss @CannonCracker auch eine Auszeichnung bekommen. Ohne ihn wäre ich nicht halb so weit.
     
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  10. #35 CannonCracker, 18. November 2019
    Zuletzt bearbeitet: 18. November 2019
    Ich schreibe zu diesem Thema zur Abwechslung auch einmal etwas, beschränke mich jedoch nur auf ein paar Randnotizen, die noch mit dem Canton-Fair-Etikett in Zusammenhang stehen, jedoch eher nebensächlich Interessent sein könnten:

    Bei dem gezeigten Hotel handelt es sich um das heutige Dongfang Hotel (东方宾馆 [übersetzt Orient-Hotel]) in der Liuhua Straße 120 (流花路120号), Guangzhou (广州) und befindet sich in unmittelbarer Nähe zum heutigen Standort der Canton Fair (广交会).

    Dieser staatliche Bau basierte auf einer Entscheidung der Stadtverwaltung, um die steigende Anzahl an Besuchern der Messe unterzubringen, die jeweils im Frühling und Herbst abgehalten wurde, denn die Kapazitäten der bestehenden Hotels war so beschränkt, dass die Gäste zum Teil auf Extrabetten im Flur übernachten mussten. Neben diesem Hotel sah das Projekt (als „Geschenk“ zum 10. Jahrestag an die Volksrepublik China) auch den Neubau des Hauptbahnhofs sowie des hier gegenständlichen Messegebäudes vor. Die Bauarbeiten am Hotel starteten jedoch erst im März 1959 und am 11. Oktober 1961 war die Eröffnung als Yangcheng Hotel (羊城宾馆). Im August 1966 wurde es in Abstimmung mit dem Hotelpersonal schlussendlich in Dongfeng umbenannt. Ob das wohl mit den schon anfangs katastrophalen Zuständen zusammenhing? ;)

    Das Hotel wurde ab 1973 umfangreich erweitert, jedoch ist das damalige Gebäude erhalten und stellt heute den Ost-Flügel dar. 1993 wurde das Hotel in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei das Gros der Aktien weiterhin in staatlicher Hand sind. Seit dem 26. Januar 2014 steht das alte Gebäude unter Denkmalschutz.

    Die Einweihung des Messgebäudes in der Qiyi Straße 1 (起义路1号) erfolgte mit der 6. Messe, die zwischen dem 1. bis 30. November 1959 stattfand und offiziell bis 2007 Chinese Export Commodities Fair (中国出口商品交易会) hieß. Historisch ist sie jedoch stets als Canton Fair bekannt. Durch immer mehr Aussteller und Besucher wurde allerdings bald ein neuer Komplex notwendig, obwohl dieses Gebäude stetig erweitert wurde. Durch den Umzug auf dieses neue Gelände (ebenfalls in der Liuhua Straße) im Jahr 1974 wurde die Umnutzung des Gebäudes erst in den 1980er Jahren umgesetzt. Per 23. Mai 2001 wurde es schlussendlich für 3.890.000 ¥ (etwa 500.000 €) an eine Investorengruppe veräußert, die heute das HighSun Binbin Plaza betreibt.

    Die Niederlassung (Kwangtung Native Produce Branch, Tungoon Office [广东省土产小公司东莞支公司]) der China National Native Produce & Animal By-Products Import & Export Corporation (中国土产畜产进出口总公司, auch als CNP, CNNP oder TUSHU abgekürzt), damals noch als getrennte Unternehmen China National Animal By-Products Export Corporation (中国畜产出口公司) und China National Tea Export Corporation (中国茶叶出口公司), bestand seit mindestens Ende 1956 in der 623. Straße 486 (六二三路486号, auch als Liu Er San Road, Liu Erh San Road oder Loh Nee San Road bekannt/übersetzt), Guangzhou. Die CNP war maßgeblich an der Ausrichtung der Canton Fair beteiligt. Ob die unmittelbare Nähe zum Messegebäude absichtlich oder zufällig bestand, ist leider nicht bekannt. Seit März 1979 befindet in und hinter dem Gebäude auch der sehr große und bekannte Qingping Markt (清平中药材专业市场). Hier werden primär Produkte für die traditionelle chinesische Medizin angeboten.

    Im Mai 1988 wurde die Niederlassung in die am 13. Februar 1984 gegründete Guangdong Native Produce Import & Export (Group) Corporation (广东省土产进出口(集团)有限公司, auch als GDNP abgekürzt) integriert, die ebenfalls vollständig staatlich ist. Die GDNP hat bis heute ihren Sitz in der Jiangnan Avenue 108 (江南大道中108号). Damit ist der allseits bekannte kombinierte Schriftzug „CNP“ und „Kwangtung Native Produce Branch“ für Horse und Tiger-Head Brand verschwunden und wurde nur vereinfacht als „Made in Kwangtung China“ oder „Made in Guangdong China“ dargestellt. Die CNP existiert ebenfalls bis heute und hat ihren Hauptsitz in Beijing (北京). Die Feuerwerks-Exporte sind jedoch erst nach dem 1961er Zusammenschluss zu der China National Tea & Native Produce Import & Export Corporation (中国茶叶土产进出口公司) in Erscheinung getreten.

    Das sollte hier als Behelfsnotiz der Nebensächlichkeiten ausreichend sein und verbleibe daher mit freundlichem Gruß
     
  11. Zuerst; sehr schön, dass die alten etiketten aus dieser zeit auf diese weise genauer untersucht werden, ich verfolge dieses thema genau und werde gelegentlich versuchen, eine sinnvolle ergänzung zu finden.

    Es gibt auch moderne Etikettenvarianten mit dem Turm als Thema; der Turm wurde kürzlich für knallketten verwendet, ein Etikett aus dem Jahr 2007: https://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/m_paklabels/A0783.jpg
    Und eines von 2017 (!): https://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/upd2018/A1305.jpg Offensichtlich diese Bilder 'modern' und nicht zu vergleichen mit dem schönen Kunstwerk von damals, aber es ist schön, dass es sie noch gibt. (Beide knallketten kommen von Salon Roger, einem Belgischen Feuerwerksladen / Importeur).

    Wenn ich frei sein darf: Ich würde dieses Buch jedem empfehlen, der mehr (und tiefere Hintergründe) über chinesische Labels lesen / wissen möchte: "Label art from the Chinese World 1890-1976", Andrew S. Cahan, ISBN 978-0-7643-4031-4. (Link zu amazon)
    Unter: ein Bild eines Propagandaplakats, auf dem auch der Turm abgebildet ist, stil und kunst wirklich aus dem roten China der siebziger Jahre.

    1391-001L.jpg

    (Dieser Text wurde teilweise mit Google Translate erstellt.)
    Herzliche Grüße, Roel, Niederlande.
     
  12. It's awesome that you're now involved here, Roel.
    Thank you!
     
  13. roelwijngaarden.com und CeBee gefällt das.
  14. #39 CaMa08, 24. November 2019
    Zuletzt bearbeitet: 24. November 2019
    Nachdem wir nach mehrtätiger Messeschau Kanton verlassen haben, nutzen Cannoncracker und ich die verbliebene Zeit in China um uns noch andere Sehenswürdigkeiten und Metropolen anzusehen. Natürlich steht Shanghai auf unserer Liste, doch nach ein paar Tagen fehlt uns der Duft nach verbranntem Schwefel und der Anblick der kleinen roten Papierschnipsel die wie Herbstlaub auf den Boden liegen, sodass wir uns wieder auf die Reise in die Provinzen, wo Feuerwerk hergestellt wird, machen. Um näher Land und Leute kennenzulernen, entscheiden wir uns für den Bus als Fortbewegungsmittel unserer Wahl.

    Der erste Halt unserer vierstündigen Fahrt ist in Nanjing (南京), Provinz Jiangsu (江苏), nachdem wir die dortige Brücke über den Jangtsekiang (长江) überquert haben. Begeistert über den Anblick, holt Cannoncracker seine Buntstifte aus seinen Reisekoffer heraus (die chinesischen Batterien der Marke „Tiger Head“ passen nicht in unseren westlichen Fotoapparat) und zeichnet gleich darauf los.

    Auf der rechten Seite des Labels befindet sich eine Straße, auf der sich zwei weiß-rote Busse beinfinden. Die bogenförmige Straße führt zu einem von zwei Türmen eingefassten Portal, welches der Beginn einer in stahlfachwerkbauweise errichteten Brücke ist. In der oberen linken Ecke prangt das Red Lantern Brand, unterhalb befindet sich eine stilisierte Paket-Cracker Kette. Zwischen dieser und den vorderen Bus steht der Name des Produktes, 四季红炮 (lat.: Camellia azalea) und unterhalb der englische Name SUPERIOR MANDARIN, bzw. 電光炮 (deutsch: Blitz Knaller) LIGHTNING (Cracker wurde vergessen). Die dazugehörige Größenangabe 1 ½“ x ¼“ steht neben der Kette, bzw. 1 ½“ in den oberen rechten Ecke. Diese Illustration ist in einem weißen Rahmen festgehalten, auf welchem wieder der Anwendungshinweis DO NOT HOLD IN HAND AFTER LIGHTNING geschrieben steht.

    upload_2019-11-24_20-48-6.jpg

    Quelle: http://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/o_paklabels/thumbs/phoca_thumb_l_A0085.jpg aufgerufen am 24.11.2019 um 20:27Uhr

    Darüber hinaus es noch eine weitere Variante aus einen anderen Blickwinkel, bei dem auch die andere Uferseite und das Hinterland zu sehen ist. Je nach Darstellung finden sich nur Fußgänger auf den Gehwegen oder auch noch zusätzliche Busse auf der Straße. Zusätzlich befindet sich unterhalb der Szenerie ein gelbes Textfeld mit den amerikanischen Anwendungshinweisen und der Herstellerangabe.

    Die Nanjing-Jangtse-Brücke (南京长江大桥) befindet sich in Nanjing (南京) in der Provinz Jiangsu (江苏) und ermöglicht die Überquerung des Flusses Jangtsekiang (长江).

    Diese Brücke besitzt zwei Fahrebenen. Auf der oberen Fahrebene befinden sich vier Fahrspuren mit einer Gesamtbreite von 15m und je ein Fußgängerweg pro Seite. Zwei Eisenbahngleise befinden sich auf der unteren Ebene und sind Teil der Strecke Shanghai-Nanjing und somit auch der Strecke Shanghai-Beijing. Die Hauptbrücke ist 1576m lang und besitzt neun Stützen, auf denen Stahlfachwerkträger mit einer Länge von je 160m aufliegen.
    Markantestes Detail ist der Brückenkopf auf beiden Uferseiten. Die beiden Türme, welches jeweils 70m hoch sind, tragen auf ihrer Spitze das Symbol 三面红旗 (deutsch: „drei rote Fahnen“). Vor diesen monumentalen Türmen befindet sich eingangs auf jeder Seite eine Statue mit Soldaten, Arbeitern und Bauern (ein Soldat hält das Parteibuch mit ausgestrecktem Arm nach oben).

    Bereits in den 1920er Jahren kam die Idee auf, eine Brücke über den Jangtsekiang zu bauen, da dieser die neu errichtete Eisenbahnverbindung unterbrach und das steigende Verkehrsaufkommen durch Fähren nicht mehr abgedeckt werden konnte. Nach mehreren Machbarkeitsstudien in den 1930er Jahren wurde 1956 mit dem Bau der Nanjing-Jangtse Brücke begonnen. Anfangs halfen sowjetische Ingenieure mit bei den Planungen, jedoch wurde diese nach einiger Zeit des Landes verwiesen, sodass mit den Bau erst im Januar 1960 begonnen werden konnte.

    Durch die sich stetig weiter verschlechternde chinesisch-sowjetische Beziehung lieferte die Sowjetunion den Stahl für die Brückenkonstruktion nicht mehr, sodass in China selber ein hochlegierter Stahl produziert werden musste. Dadurch konnte erst 1961 der Bau weiter voran schreiten. Jedoch hielt auch die Phase nicht lange an und durch kriegerische Auseinandersetzungen wurde auch die Brücke beschädigt und es kam erneut zu einem Baustopp. Erst am 30. September 1968 wurde die Brücke für den Eisenbahnverkehr freigegeben, bei der über 50.000 Soldaten und Zivilisten teilnahmen. Die finale Freigabe aller Verkehrswege erfolgte am 29. Dezember 1968 (anhand der Bilder kann der Einsatz von Knallkörperketten bestätigt werden). Ein Jahr später gab das Ministerium für Post und Kommunikation vier Sonderbriefmarken über den „Sieg der Nanjing-River Bridge heraus (eine ähnelt sehr den Label) und auch der Vorsitzende Mao Zedong inspizierte die Brücke.

    Heutzutage hält dieses Bauwerk leider einen traurigen Rekord, mit dem am meisten vollzogenen Suiziden weltweit.

    Diese Brücke ist die erste über den Jangtsekiang, welche vollkommen eigenständig von den Chinesen erbaut wurde und ist so Sinnbild der Eigenständigkeit der Volksrepublik China und die große Errungenschaft des sozialistischen Aufbaus. Daher ist es naheliegend dieses Motiv als Label zu nutzen. Die Statuen wurden auf den Labels allerdings nicht abgebildet. Interessanterweise blieben aber die roten Fahnen auf den Türmen, was angesichts der Tatsache, dass alle Details die einen Bezug zum Kommunismus haben sonst immer weggelassen wurden, außergewöhnlich.

    Dieses Etikett wurde wahrscheinlich nur in den 1970er Jahren, restriktive bis Mitte dieses Jahrzehnts für den Export nach Deutschland verwendet. In einen 1974er Musterkatalog von Red Lantern ist dieses Label zu sehen, neben einen Belegexemplar Superior Mandarin ist mir kein weiteres bekannt. Grund für die geringe Verbreitung wird die ausschließliche Verwendung als Label für Paket-Cracker (Superior Mandarin) sein. Die „Lightning Cracker“ waren aufgrund ihres Knallsatzes in Deutschland nicht zulassungsfähig.

    Im Ausland wird dieses Motiv länger verwendet wurden zu sein, bzw. finden sich immer wieder Artikel mit diesen Label, da gerade Ketten mit Blitzknallsatz dort der Standard sind. Das unten abgebildete Exemplar von „Green Lantern“ stammt aus Belgien und ist laut Aufdruck von 2008/2009.

    upload_2019-11-24_20-48-6.jpg




    Nachdem Cannoncracker sein Erinnerungsbild fertig gezeichnet hat, geht unsere Reise nun mit der Dampflokomotive vom Typ SL6 weiter, da die nächsten Strecken sonst zu beschwerlich geworden wären. Vorbei an idyllischen Landschaften und Städten reisen wir zu unserem finalen Ziel. In unserem Abteil liegt ein Faltblatt mit einigen Informationen zu unserer Zugverbindung, die wir beide natürlich versuchen zu lesen. Leider reicht unser rudimentäres Chinesisch nicht aus, um auch nur einen Satz zu verstehen, sodass uns nur das Betrachten der Bilder bleibt. In diesem Moment fahren wir geradewegs in eine Brücke hinein, um wieder einen Fluss zu überqueren. Vor wenigen Stunden hatten wir erst mit unserem Bus solche eine Brücke mit zwei Fahrebenen befahren, sodass ich es für eine gute Idee hielt, diesen Moment erneut festzuhalten. Glücklicherweise ist im Faltblatt diese Brücke von der Seitenansicht zu sehen, sodass Cannoncracker direkt ans Werk geht und dieses Motiv nachzeichnet (wir haben uns nicht getraut den Prospekt mitzunehmen).

    upload_2019-11-24_20-48-6.jpg

    Quelle: http://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/o_paklabels/thumbs/phoca_thumb_l_A1227.jpg aufgerufen am 24.11.2019 um 20:29Uhr

    Dieses Label ist dreiteilig aufgebaut. Am unteren Bildrand befindet sich wieder die obligatorische Angabe des Herstellers, der auch hier wieder mit der der China National Native Produce & Animal By-Products Import Export Kwangtung Native Produce Branch, Tungoon Office Corporation (中國土產畜產進出口總公司廣東省土產小公司東莞支公司) benannt wird.
    Im Mittelteil ist eine große Brücke dargestellt, die zu einem weit entfernten Hinterland führt. Frontal ist eine mehrspurige Straße zu sehen, die bogenförmig zur Brücke führt. Auf dieser befinden sich wieder zahlreiche Busse. Ebenfalls führt eine Eisenbahnstrecke in die Brücke, eine Dampflokomotive fährt gerade aus ihr heraus. Eingebettet sind diese Wege in einer waldähnlichen Landschaft. Am oberen Ende befindet sich ein rotes Schriftfeld mit der Aufschrift 馬牌炮花 (deutsch: „Pferde Marke Knaller“), unterhalb steht die englische Übersetzung „Horse Brand Firecrackers“. Rechts davon ist wieder eine Abbildung des enthaltenen Produkts abgebildet, eine dreifarbige 20er Paketcracker Matte, unter der nochmal die Anzahl der enthaltenen Knallkörper mit 20s vermerkt wurde. Das Horse Brand befindet sich in der linken Bild Ecke. Diese Illustration ist wieder wie gewohnt in einem weißen Rahmen festgehalten, auf welchem wieder der Anwendungshinweis DO NOT HOLD IN HAND AFTER LIGHTNING geschrieben steht.

    Auch diese Darstellung basiert wieder auf ein reales Bauwerk, der Wuhan Jangtse Brücke (武汉长江大桥), Stadt Wuhan (武汉市), Provinz Hubei (湖北省) und überquert den dortigen Fluss Jangtsekiang (长江).
    Die Brücke beginnt am „Schildkrötenhügel“ (auf den Label zu sehen) und endet am „Schlangenhügel“, jeweils mit einer kurzen Vorlandbrücke. Insgesamt ist sie 1670m lang und 22,5m breit und besitzt neun Stützen, auf denen Stahlfachwerkträger mit einer Länge von je 128m aufliegen. An beiden Ufern befinden sich zwei große Türme, welche den Übergang auf das Vorderland markieren. Dort ist der jeweils auslaufende Teil der Brücke mit Rundbögen realisiert. Das Besondere an diesem Bauwerk sind die zwei Fahrebenen. Auf der oberen Ebene befinden sich vier Fahrspuren und je ein Fußgängerweg pro Seite. Unterhalb führen zwei Eisenbahngleise entlang, die ein Teil der Strecke Guangzhou-Peking (广州市-北京)bilden.

    Wie auch zahlreiche andere Bauwerke in China, wurde auch dieses mit sowjetischer Hilfe errichtet und war die erste befahrbare Brücke über den Jangtsekiang überhaupt. Die Vorplanung begann bereits 1910, jedoch wurde aus wirtschaftlichen und kriegsbedingten Gründen kein Bau realisiert. 1950 begannen erneut Vermessungsarbeiten, da der Bau der Brücke im ersten Fünfjahresplan Chinas projektiert war. Grund war die geographische Lage, da der Jangtse eine Verbindung zwischen den Küstenregionen und den Landesinneren bildet, weshalb auch Sun Yat-sen die besondere Bedeutung betonte. Im September 1955 wurde mit dem Bau begonnen um planmäßig 1959 die Brücke fertigzustellen. Durch den Einsatz neuer Technologien konnte die Bauzeit jedoch um zwei Jahre verringert werden, sodass im Oktober 1957 die Wuhan Jangtse Brücke mit einen großem Festakt eingeweiht wurde.

    Neben zahlreichen Abbildungen in Zeitungen war dieses Motiv ebenfalls auf der 2 Jiao (ein Zehntel eines Yuan) Banknote abgebildet.

    Wie schon eingangs erwähnt, zählt dieses Bauwerk mit zu den ersten Errungenschaften der damals noch jungen Volksrepublik. Kaum ein anderes Motiv bildet den technologischen Fortschritt und der damit verbundenen Vorzüge für die Bevölkerung und Wirtschaft in dieser Weise wieder.

    Da es vermutlich auch dieses Label nie in Deutschland gab, fällt auch diesmal die Eingrenzung des Verwendungszeitraums schwer. Aufgrund der Baudaten und der Herstellerangabe lässt sich dieses Etikett in die 1960er Jahre einordnen. Ob es noch länge verwendet wurde, kann nicht ausgeschlossen werden.


    Cannoncracker konnte gerade so seine Zeichnung fertigstellen, bevor wir in den nächsten Bahnhof eingefahren sind. Von dort aus, sind es nur noch wenige Kilometer bis zu unserem finalen Ziel.

    P.S. I would like to expressly thank @roelwijngaarden.com , who has given me and the forum permission to use all the images on his Website.
     
  15. Absoluter Respekt :good:
     
    CannonCracker, masterthao und CaMa08 gefällt das.
  16. Ich würde auch ein Buch nehmen!
     
    böllerfan und Mathau gefällt das.
  17. Dieser Thread ist richtig was wert. Großen Dank an alle beteiligten für die Mühen und das Teilen dieses großartigen Wissens :good:
     
    CeBee, CannonCracker, CaMa08 und 2 anderen gefällt das.
  18. #43 CaMa08, 1. Dezember 2019
    Zuletzt bearbeitet: 1. Dezember 2019
    Nach vielen Stunden Zugfahrt sind wir endlich in Changsha (Hauptstadt der Provinz Hunan) angekommen. Hier fühlen wir uns wieder wohl, da Schwarzpulvergeruch in der Luft liegt, den wir so sehr vermisst haben. Leider bleibt keine Zeit sich die Stadt anzuschauen und vielleicht ein paar Böller zu kaufen, da wir unseren Anschlusszug noch rechtzeitig schaffen müssen.

    Das finale Ziel unserer Reise durch China und seiner Geschichte ist Shaoshan (韶山), dem Geburtsort von Mao Zedong (毛澤東). Die staatliche Tourismusbehörde hat uns diesen Besuch nahe gelegt, und da der Ort in der Provinz Hunan liegt, haben wir nicht lange gezögert und uns auf die Reise gemacht. Nun sitzen wir also im Zug mit hunderten anderen Fahrgästen, wenn auch ziemlich unkomfortabel, aber das sind wir ja mittlerweile gewohnt. Eine Gruppe Chinesen hat ein Kofferradio der Marke „Red Lantern“ Modell 2701 dabei, aus dem laut Musik dröhnt. Jedoch verstummt es nach kurzer Zeit, sehr zu aller Trauer. Die Batterien sind anscheinend leer und keiner der Chinesen hat welche greifbar. Da fällt mir ein, dass wir unsere, nicht passenden Batterien der Marke „Tiger Head“, noch immer dabei haben. Kurzerhand geben wir diese der Gruppe, die uns aus Dankbarkeit eine Ansichtskarte schenkt. Diese zeigt ein Teilstück unserer Fahrtstrecke, eine Bogenbrücke, die wir alsbald auch passieren. Begeistert über dieses Geschenk, fängt Cannoncracker an dieses Motiv mit seinen Buntstiften nachzuzeichnen, damit wir einheitlich unsere Reise dokumentiert haben. Währenddessen ertönt im Hintergrund auch wieder das Radio mit dem Lied 火车向着韶山跑 (deutsch: „Der Zug fährt in Richtung Shaoshan“) und es stimmen zahlreiche Fahrgäste mit ein.




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    Quelle: http://www.roelwijngaarden.com/images/phocagallery/o_paklabels/thumbs/phoca_thumb_l_0074.jpg aufgerufen am 01.12.2019 um 15:45Uhr

    Auf diesem Etikett ist eine bergige Landschaft zu sehen, in der bogenförmig eine Eisenbahnstrecke verläuft. Im Mittelpunkt des Bildes befindet sich eine Bogenbrücke, welche einen kleinen Fluss und eine Straße überspannt, auf der zwei rot-weiße Busse fahren. Eine Dampflokomotive befährt die Brücke, die Waggons derer reichen bis zum Horizont. Am Horizont ist ein Berg zu sehen, der Himmel wolkenfrei. Am oberen linken Rand befindet sich die Größenangabe der enthaltenen Böller, 2 ½“ x ½“ und daneben ein großes rot-weißes Red Lantern Brand. Am rechten Bildrand wurde die Anzahl der enthaltenen Knaller mit 10s angegeben, daneben befindet sich die Abbildung eines einzelnen, roten Böllers mit einer einmal verdrehten grauen Lunte. Unter diesem, am rechten Bildrand steht 时升炮 und die englische Bezeichnung für Böller dieses Formats, SHISING CRACKERS. Wie bei Red Lantern üblich wird der Herstellungsort mit 中國湖南製造 (deutsch: Hergestellt in Hunan, China) MADE IN HUNAN CHINA angegeben. Auch dieses Motiv ist wieder in einen weißem Rahmen eingefasst, auf dem DO NOT HOLD IN HAND AFTER LIGHTNING steht.

    Am 1. August 1966 wurde ein Aufnahmezentrum für die 红卫兵 (deutsch: Rote Garde) in Shaoshan angesiedelt, wodurch es zu einen deutlichen Besucherandrang nach Shaoshan kam. Da die damaligen Transportkapazitäten komplett überlastet waren, teilweise kamen bis zu 70000 Menschen täglich, wurde bereits am 16. Oktober 1966 von der Roten Garde der Vorschlag zum Bau der Bahnstrecke an die Changsha Eisenbahn unterbreitet. Bereits am 13. November 1966 begannen erste Planungen, ohne staatliche Genehmigungen, welche erst im Dezember 1966 durch die staatliche Planungskommission (国家计委) erteilt wurden. Diese sahen vor, eine 21,42 km lange Strecke zwischen den Bahnhöfen Xiangshao und Shaoshan zu errichten. Der Anfangs projektierte Bahnhof direkt am Haus von Mao Zedong wurde verworfen, da man das ursprüngliche Erscheinungsbild von Shaoshang beibehalten und einen Puffer schaffen wollte. Neben den Gleisen mussten auch zwei Bogenbrücken mit einer Länge von 81,6m in stahlbetonbauweise errichtet werden.

    Die Gestaltung des Shaoshan Bahnhof (韶山站) [27°55'28.99"N 112°31'25.11"E] wurde im Juli 1967 vom Ministerium für Eisenbahnen (铁道部) abgenommen, sodass bald danach mit den Bau begonnen werden konnte. Das Hauptgebäude, die zwei Bahnsteige und die Überdächer wurden von der Xiangtan City Engineering Company (湘潭市工程公司) ausgeführt. Um den knappen Zeitplan zu halten, wurde ununterbrochen gebaut. Der anfangs als reiner Personenbahnhof konzipierte Bau erhielt 1987 ein zusätzliches Gleis für den Güterverkehr. Zum 110. Geburtstag von Mao wurde von der Changsha Railway Corporation (长沙铁路总公司) der Bahnhof zum 26. Dezember 2003 für 1.200.000 ¥ (155.000 €) saniert.

    Baubeginn der Zugstrecke war am 5. Februar 1967. Anfangs waren über 28000 Menschen aus den umliegenden Bezirken auf der Baustelle beschäftigt, darunter 9.389 aus Xiangxiang, 5.532 aus Ningxiang und 13.297 aus Xiangtan. Die Verpflichteten Bauern waren für die Erdarbeiten zuständig und arbeiteten Tag und Nacht unter widrigsten Bedingungen (kein elektrisches Licht), damit der Zeitplan eingehalten werden konnte. Durch diesen besonderen Einsatz waren bereits im April 1967 diese Arbeiten abgeschlossen. Ebenso schnell geschah der Bau der beiden Brücken. Die Rote-Garde-Brücke (红卫桥) wurde im April 1967 fertiggestellt, die Shaoshan-Brücke (韶山桥), die auch als Rote-Sonnen-Brücke (红太阳桥) bekannt ist, zwei Monate später.

    Eröffnungstermin sollte der Geburtstag (26. Dezember) von Mao Zedong werden, der aber dieser Geste eine Absage erteilte und somit zwei Tage später, am 28. Dezember 1967 die Strecke eingeweiht wurde. Unglücklicherweise waren aber die Fahrkarten mit geplantem Eröffnungsdatum bereits gedruckt. An diesem Tag „schien die Sonne und es war warm wie im Frühling“, als über 100000 Menschen (vermutlich eine übertriebene Schätzung) an der Zeremonie teilnahmen. Bei dieser sprachen der Leiter des Vorbereitungsteams des Revolutionskomitees der Provinz Hunan und der Leiter der 6900.-Einheit, Li Yuan (黎原). Nach der Rede schnitt Li Yuan das Band für die Shaoshan-Eisenbahn-Strecke durch. Infolgedessen pfiff die Lokomotive und der Zug verließ "glücklich" den Bahnhof, mit den Bauarbeitern der Strecke an Bord, welche als erste die neue Verbindung nutzen durften. Die Dampflokomotiven waren an beiden Seiten mit drei roten Fahnen (三面红旗) und einen Bild von Mao Zedong geschmückt. Nach vier Stunden Fahrzeit erreichte der Zug, mit Abfahrt Changsha (長沙市), um 11Uhr Shaoshan (韶山).
    Die geplanten Baukosten von 9.100.000¥ konnten nicht eingehalten werden, am Ende kostete dieses Projekt 9.930.000 ¥.

    Auf dem Label ist die Shaoshan-Brücke (韶山桥) [27°53'34.6"N 112°34'49.7"E] abgebildet. Die Vorlage für dieses Motiv ist eine Postkarte, welche zur Eröffnung der Bahnlinie herausgegeben wurde. Jedoch wurden für das Label einige Dinge abgeändert, so die roten Fahnen auf der Lokomotive, die Schriftzeichen auf der Brüstung der Brücke und den Bahndamm (links) und der Militär-LKW, der vor dem Bus fährt (ersetzt durch einen zweiten Bus).

    Die abgebildeten Busse sind Škoda 706 RO (chinesisch: 斯柯达706RO). 13000 Stück dieses Modells wurden von 1947 bis 1958 produziert und auch in etliche Länder exportiert, darunter ab 1951 auch nach China. In Beijing fuhren 36 Jahre lang diese Fahrzeuge, ehe sie durch neue ersetzt wurden und somit auch ein Teil des Straßenbildes sich änderte. Im Vorspann des Films 草原英雄小姐妹 (deutsch: „Die heldenhaften Schwestern des Graslandes“) ist er ebenfalls zu sehen, sowie auf zahlreichen Labeln neben den Ikarus 30. Bei dem auf diesem Etikett abgebildeten Typ handelt es sich um ein Lux-Modell. Dies ist ein Reisebus mit entsprechender Ausstattung - hinten keine Tür, dafür ein Dachgepäckträger.
    Bei der dargestellten Dampflokomotive handelt es sich um eine SL6 mit der Kennung SL 744, die zwischen Dezember 1958 und Februar 1959 gebaut und von Meng Xiankui (孟宪魁) gesteuert wurde. Diese Baureihe wurde von 1933 bis 1958 gefertigt, allgemein endete erst 1988 die Dampflokproduktion in China. Die dargestellten Reisezugwagen sind vom Typ 21 (Bauzeitraum 1953-1961) oder Typ 22 (1959-1994).

    Die Bedeutung dieses, anfangs so unscheinbaren Motivs, wird durch die oben beschriebene Entstehungsgeschichte verständlich. Der eindeutige Bezug zum Kommunismus und dem Vorsitzenden Mao Zedong steht im Vordergrund, zudem symbolisiert dieses Label die Willenskraft und Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, innerhalb kürzester Zeit erfolgreich Projekte zu realisieren.

    Zwei verschiedene Sorten Böller trugen dieses Label. Neben den erwähnten SHISHING auch CANNON CRACKERS. Bei letzteren existiert ein deutsches Exemplar mit F.K.W. China Böller D Backlabel. Außer in einem 1974er Red Lantern Katalog ist dieses Etikett in keinen weiterem Katalog zu sehen, wodurch geschlussfolgert werden kann, dass es nur in der ersten Hälfte der 1970er Jahre genutzt wurde.

    In Shaoshan angekommen, bewundern Cannoncracker und Ich den Bahnhof und sind überwältigt von den Menschenmassen. Die restlichen fünf Kilometer zum Geburtshaus Mao Zedongs legen wir nun zu Fuß zurück und berichten euch von unseren Eindrücken bald später ausführlich.

    P.S. Diese unglaubliche Fülle an Informationen ist wieder einmal @CannonCracker zu verdanken, der wirklich zu jedem Detail nach Informationen gesucht und mir diese stichpunktartig zugesendet hat. Einfach eine herausragende Arbeit. Vielen Dank!
     
  19. Meine Güte,
    CaMa08, CannonCracker, bin leider wieder mal durch zu lange Abwesenheit hier im Forum erst jetzt auf Eure Beiträge aufmerksam geworden und bin fassungslos. Diese Fülle an Informationen ist schier unglaublich. Seit nun mehr rund 40 Jahren beschäftige ich mich mit nahezu allen Aspekten der klassischen China Böller (Aufbau, Wirkung, Herkunft, Verbreitung etc.). Ich hätte mir bis heute nicht vorstellen können, dass man je diese Hintergründe wird aufdecken können. Eine hervorragende investigative Arbeit.

    Darüberhinaus, auch für die Daseinsberechtigung dieses Forums ungeheuer wichtig, da hier neben den vielfach technischen eben auch die starken kulturhistorischen Aspekte des Feuerwerks näher beleuchtet werden und so der interessierten Gemeinschaft zugänglich gemacht werden.
    Also, gut, dass es das Forum gibt,
    und gut, dass zwei Begeisterte hartnäckig und mit detektivischem Eifer die Sachen ans Tageslicht bringen.
    Vielen Dank, ich bin gespannt auf die nächsten Beiträge.
     
  20. #45 CaMa08, 15. Dezember 2019
    Zuletzt bearbeitet: 15. Dezember 2019
    Nachdem wir den Bahnhof Shaoshan verlassen haben, machen wir uns mit tausenden anderen Touristen auf den Weg zu Maos Geburtshaus. Bedingt durch die bergige Landschaft werden die letzten fünf Kilometer nochmal kräftezehrend sein, aber uns wurde von der Tourismusbehörde versprochen, dass sich die Strapazen lohnen werden. Aus diesem Grund beschließen wir uns vorher in einen der zahlreichen Souvenirshops noch Proviant zu besorgen. Im Laden angekommen vernehmen wir Musik, welche von einen altem Schalplattenspieler kommt. Daneben liegt das Cover der Schalplatte, welche glücklicherweise auch auf Englisch beschriftet ist. 迎着朝阳去韶山 - „Going to Shaoshan in the rays of the morning sun“ steht dort. Daneben ist unser Reiseziel, Maos Geburtshaus, eingebettet in der Natur, abgebildet. Kurzerhand beschließen Cannoncracker und Ich dieses musikalische Werk zu erwerben, sodass wir uns auch Akustisch noch an unsere Reise erinnern können. Mit der Platte und unserem Proviant im Gepäck wandern wir mit der Menschenmasse nun zu unserer letzten Station. Am Gebäude angekommen, besichtigen wir das Innere. Nachdem wir uns das Ahnenhaus angesehen haben, machen wir Rast auf einen kleinen Hügel und unser Blick schweift in die Ferne. Zahlreiche Kiefern und Zypressen wachsen auf den unzähligen Bergen, welche in der Landschaft liegen. Diesen schönen Anblick der Natur müssen wir festhalten und ich weise daher meinen Reisepartner an, mit seinen Buntstiften den Ausblick für immer einzufangen.

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    Diese Abbildung zeigt im Vordergrund einen stilisierten Tannenwald in verschiedenen Grüntönen, im Hintergrund sind Bergspitzen zu sehen. Charakteristisch ist der linke Gipfel, da dieser von der linken Flanke spitz zuläuft und in der Gruppe augenscheinlich der höchste ist. Teilweise überlagern sich die einzelnen Berge und Hügel. Je nach Version ist der Himmel wolkenfrei oder leicht bewölkt und es ist das Tiger Head Brand (虎啸牌) abgebildet, unter dem unterhalb die Aufschrift Chinese Firecrackers geschrieben steht. Im unteren Drittel befindet sich immer ein gelbes Textfeld, welches, je nach Variante, drei verschiedene Inhalte hat:

    1.
    中國土產畜產進出口總公司廣東省土產小公司東莞支公司
    China National Native Produce & Animal By-Products Import & Export Corporation Kwangtung Branch, Tungoon Office (rote Schrift) und mit liegender Raute und Größenbezeichnung oben rechts
    (siehe oben)
    2.
    中國土產畜產進出口總公司廣東省土產小公司東莞支公司
    China National Native Produce & Animal By-Products Import & Export Corporation Kwangtung Branch, Tungoon Office (rote Schrift)
    Sans Chlorate ni Perchlorat ne pas tenir a la main (blaue Schrift) und mit liegender Raute und Größenbezeichnung oben rechts
    upload_2019-12-15_12-8-29.png

    3.
    Sans Chlorate ni Perchlorat ne pas tenir a la main (rote Schrift)
    unterhalb blaues Textfeld mit der Aufschrift Made in China (dunkelblaue Schrift)
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    Eingefasst sind alle in einen weißen Rahmen und der Aufschrift DO NOT HOLD IN HAND AFTER LIGHTNING.

    Shaoshan (韶山) ist eine Kreisfreie Stadt, welche zum Verwaltungsbezirk von Xiangtan (湘潭市) gehört und in der Provinz Hunan (湖南省) liegt. Die Provinzhauptstadt Changsha (長沙市) ist 60km entfernt, Liuyang (浏阳市)130 km und Yuqing (余庆县) 650km. Mit 247.3 km^2 und 118000 Einwohnern ist es die kleinste Verwaltungseinheit der Provinz. Umgeben von den Bezirken Xiangtan, Ningxiang und Xiangxiang, fließen auch zwei Flüsse, Shao und Shishi durch den Ort. Topographisch dominiert der Berg Shaofeng (韶峰) mit 518,5m über NN.

    Mao Zedong (毛澤東) wurde am 26. Dezember 1893 in Shaoshan (韶山), Provinz Hunan (湖南省) geboren und verbrachte dort auf einen Bauernhof seine Kindheit und Jugend. Als 1949 die Volksrepublik China (中华人民共和国 ) gegründet wurde, galt Shaoshan als Heiligtum der kommunistischen Partei. Deshalb wurde 1958 Shoshan auch in den Status einer Gemeinde angehoben und 1961 zum besonderen Kulturgut erklärt. 1963 wurde eine Tourismusstelle durch die Gemeindeverwaltung geschaffen, um die steigenden Besucherzahlen abdecken zu können. Daraufhin begann eine wirtschaftliche Blütezeit, die durch staatliche Unterstützung noch zusätzlich verstärkt wurde. Eine Gedenkhalle zu Ehren Maos wurde 1964 errichtet. Immer wieder wurde der Status der Gemeinde angehoben, jedoch nach dem Tod Mao Zedongs 1976 teilwiese wieder widerrufen.

    Um den Ort touristisch attraktiver zu gestalten und den Personenkult weiter zu befördern, wurde 1993 ein großer Platz errichtet, an dessen Ende eine 6m hohe Bronzestatue von Mao Zedong steht. Im gleichen Jahr wurde ein Gedächtnisstelenwald, welcher 3km entfernt zum Geburtshaus liegt, eingeweiht.2008 wurde der Platz nochmal deutlich erweitert und die Statue neu ausgerichtet, sodass sie jetzt zum Geburtshaus zugewandt ist. Zudem gibt es neben der Ahnenhalle der Familie Mao noch einen Mao Zedong Memorial Park. 2018 kamen 23,82 Mio. Touristen nach Shaoshan, ein überwiegender Teil davon sind Tagesausflügler.

    Auf dem Label ist der Berg Shaofeng (韶峰) abgebildet, vermutlich aus der Blickrichtung von Maos Elternhaus. Eine direkte Vorlage konnten wir bis jetzt nicht finden, jedoch gibt es zahlreiche Ansichtskarten, Bilder und sogar ein Parteiabzeichen, welche den Berg darstellen. Interessanterweise liegen Haus, Statue und Berg auf einer Sichtachse. Ob das Zufall oder Absicht ist, lässt sich wohl nicht mehr sagen. Aber der Anblick auf die Bronzestatue und dem dahinterliegenden Horizont mit Bergen regt die Fantasie an.

    Der Berg Shaofeng (韶峰) liegt 3,5km südwestlich von Maos Geburtshaus und ist knapp 519m hoch. Sein charakteristisches Erscheinungsbild mit dem lang gezogenen Hang auf der einen Seite und der spitzen Bergkuppe unterscheidet ihn stark von den anderen Bergen der Region. Die Vegetation besteht überwiegend aus Kiefern und Zypressen, die durch das subtropische Klima immergrün sind. Bis 1957 lebten dort noch südchinesische Tiger, bis 1963 sogar noch Leoparden.

    Zahlreiche Sagen und Legenden von dieser Erhebung. Kaiser Shun soll bei seiner Reise nach China in Shaoshan Halt gemacht haben. Zu seiner Unterhaltung tanzten und musizierten seine Gefolgsleute für ihn. Die durch die Täler hallende Musik ließ die Bäume vibrieren, sodass der auf dem Berg lebende Phoenix erwachte. Er spreizte seine Flügel und sang mit. Der Kaiser flog zusammen mit dem Phoenix in den Himmel. Fortan wird diese Musik Shao Le genannt. Neben der Platane, wo der Phoenix lebte, wurde ein Pavillon errichtet.

    Volkstümlich wird die Bergkuppe auch als 仙女山 (englisch: „Fairy Mountain“) bezeichnet. Dieser Name rührt aus einer alten Sage, nach der zur Zeit der Qing Dynastie drei Schwestern von der Huan Familie aus Changsha auf dem Berg kamen, um dort ein Konvent zu errichten. Dort soll ein Phönix leben, der die Schwestern zum Himmel hinauf geflogen hat. Als sie wieder auf die Erde zurückkamen, sollen sie unsterblich geworden sein. Während der Tang Dynastie wurde dort dann ein Tempel errichtet, welcher jedoch im Laufe der Jahrhunderte zerstört und erst 1993 neu aufgebaut wurde.
    Den Überlieferungen nach soll Mao in seiner Jugend gerne in der Gegend gewandert sein und auch oft den Berg bestiegen haben.

    Vorweg sei gesagt, dass wir noch keinen einhundertprozentigen Nachweis gefunden haben und die Aussage, dass es sich bei dem Tannenwald Label um den Berg Shaofeng handelt, nur eine These ist. Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass dem so ist, da alle Labels aus dieser Zeit eine Verbindung zum Kommunismus haben. Meist wurden alle Symbole und Hinweise entfernt, sodass die Kernaussage und Bedeutung nicht offensichtlich sind. Ich habe alle Nationalparks in der Provinz Guangdong abgesucht und keine Berggruppe mit diesem Erscheinungsbild gefunden. Erschwerend kommt hinzu, dass es viele Darstellungsvarianten gibt, sodass die Form der Berge immer leicht unterschiedlich ist. Jedoch sind einige Grundmerkmale immer vorhanden.

    Wie schon im Text erwähnt, ist die Berggruppe immer wieder auf zahlreichen Abbildungen zu sehen, teils absichtlich in den Bildmittelpunkt gerückt. Neben den erwähnten Parteiabzeichen und Ansichtskarten sind die Berge auch auf dem eingangs erwähnten Schalplattencover abgebildet. Zudem befindet sich ein großes Gemälde von Maos Haus, eingefasst in die Berge, gemalt von Zhou Lingzhao (周令钊), in der Großen Halle des Volkes (人民大會堂) in Peking. Ferner trägt ein schwarz-weiß Fernseher, hergestellt in Hunan, den Namen Shaofeng. Somit ist zu Schlussfolgern, dass dieser Berg eine große Bedeutung hat, nicht nur kulturhistorisch, sondern auch gesellschaftlich und politisch und somit in das Schema der Labels aus den 1960er und 1970er Jahren passt.

    Aus der Reihe der vorgestellten Etiketten ist es wohl das unscheinbarste, jedoch das mit der größten Aussagekraft, wenn auch nur für Wissende. Während alle anderen als Versinnbildlichung Bauwerke zeigen, wurde mit einen trivialem Landschaftsbild ein direkter Bezug zu Mao Zedong geschaffen. Mao wanderte während seiner Jugend gerne in der Region und bestieg unzählige Male den Shaofeng. Dieser kann als Symbol für den langen und anstrengenden Weg der Transformation in eine kommunistische Gesellschaft angesehen werden. Ob es Zufall ist, dass auf den Berg tatsächlich Tiger lebten und somit auch das Tiger Head Brand seine Daseinsberechtigung hat, vermag ich nicht einzuschätzen.

    Die ersten Päckchen mit dem Tannenwald und den Berg Shaofeng gab es, nach jetzigem Stand, ab 1971. Obwohl die Marke Tiger Head seit 1963 existiert, sind bis jetzt keine Päckchen mit der alten BAM-Nomenklatur aufgetaucht. Bei meinen Recherchen habe ich auch kein Label aus diesem Jahrzehnt mit Tiger Head Brand gefunden. Fast alle Importeure nutzten dieses Etikett über Jahrzehnte, sodass es einen großen Bekanntheitsgrad hat, sowohl in Deutschland, als auch in der übrigen Welt. Mit der Marktöffnung 1987 wurden unzählige Varianten dieses Motivs neu geschaffen und längst vergangene wieder genutzt, sodass es wieder am Markt stark präsent war. Hierzulande war Feistel/Moog der letzte Importeur, der bis 1997 dieses klassische Bild auf die Päckchen kleben ließ. 2016 reanimierte Funke dieses Label wieder, sodass auch jüngere Generationen damit aufwachsen und ältere sich in ihre Kindheit und Jugend zurückversetzt fühlen.
     
  21. Wahnsinn :crazy: Wir brauchen eine Funktion, um solchen Beiträgen 100 "Likes" aufs Mal zu geben!
     
  22. Sehr schön, endlich mal wieder ein bekanntes Label erneut ausführlichst erklärt.

    Das Tannenwaldlabel ist mein absolutes Lieblingsmotiv.
     
  23. Erst mal vielen Dank für diese ausführliche Erklärung.
    Meine Lieblingsmotive weil diese in der Kindheit/ Jugend immer da waren, Bopeep und gezeichneter Münchhausen. Wenn diese jemand wiederbeleben würde, das wäre Geil.
    Aber natürlich freut mich auch das Tannenwald Tigerhead Brand von Funke.
     
  24. Als Kind in den 70er Jahren war ich faziniert von diesem Label, und bin es immernoch. Jetzt wissen wir wo der Tannenwald geografisch liegt und was es mit ihm auf sich hat, Klasse Arbeit !
     
  25. #50 CannonCracker, 5. Januar 2020
    Zuletzt bearbeitet: 5. Januar 2020
    Zum Start in das Jahr 2020 gibt es noch einen kleinen Nachschlag. Leider mussten zunächst rechtliche Dinge abgeklärt werden, was sich auf die Chronologie auswirkt – aber besser spät als nie ;)

    Nach unserem Abstecher zu der Staatsverwaltung für Radio und Fernsehen in Beijing haben wir noch eine kleine Tour in das 1.240 km entfernte Daqing (大庆) in der Provinz Heilongjiang (黑龙江) absolviert. Dieses Örtchen liegt ziemlich weit im Nordosten von China. Der Anlass resultiert aus diesem Etikett:

    [​IMG]
    (Scan mit freundlicher Genehmigung von Michael McHenry)

    Oben rechts befindet sich das weiß hinterlegte Link-Triad-Brand-Warenzeichen (三環牌) und links daneben steht „金红炮“, was erstaunlicherweise völlig korrekt als „Golden Red Firecrackers“ übersetzt wurde. Darunterliegend befindet sich wieder eine Produktabbildung einer 20er Knallkette. Die Illustration zeigt fünf Bohrtürme, die jeweils an der Spitze mit der bekannten nationalen Flagge bestückt sind und sich stark von den im Hintergrund befindlichen Industriebauten abheben. Auf den ersten Blick erinnert es sicherlich ein wenig an den Funkturm aus dem Yuexiu-Park in Guangzhou. Am Fuß des Etiketts verlautet die Aufschrift „Made in the People's Republic of China (中華人民共和國製造)“. Diese Formulierung kommt nach derzeitigem Kenntnisstand fast nur bei Produkten aus Guangxi (广西, früher auch als Kwangsi bekannt) vor. In der Regel wurde sich hier auf das staatliche Handelsunternehmen bezogen, oder einfach mit „Made in China“ gekennzeichnet. Des Weiteren ist die grüne Umrandung recht auffällig, da sonst sämtliche Motive in einem weißen Rahmen eingefasst wurden. Diese Ketten wurden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Deutschland importiert, da diese vermutlich BKS enthielten. Der Artikel wurde im Guangxi-Katalog unter der Bestellnummer W006 geführt und der Verwendungszeitraum dürfte Ende der 70er bis Anfang/Mitte der 80er Jahre liegen.

    Die Illustration symbolisiert das Ölfeld von Daqing (大庆油田), ist in ganz China das größte seiner Art und besteht derzeit aus 48 unterschiedlich großen Öl- und Gasfeldern. Das Feld wurde am 26. September 1959, passend zum 10. Jubiläum der Volksrepublik China, entdeckt. Aus diesem Grund wurde es Daqing getauft, was in etwa mit „Große Feierlichkeit“ übersetzt werden kann. Die gleichnamige Stadt ist erst mit der Erschließung entstanden und hat heute circa drei Millionen Einwohner. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte mit den vorhandenen Ölfeldern Chinas Eigenbedarf nur zu wenigen Prozent gedeckt werden.

    Anfang 1960 hat das Erdölministerium vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei China die Genehmigung für die Erschließung erhalten. Daraufhin wurden über 30.000 Arbeiter mobilisiert und bereits am 1. Juni 1960 wurde der erste Eisenbahnzug, bestehend aus 21 mit Rohöl befüllten Kesselwagen, von der Saltu-Station zur Jinxi-Raffinerie Nr. 5 gefahren. Seit Ende 1964 konnte der Eigenbedarf bis zu 88 % gedeckt werden. Aufgrund des Embargos ab 1949 hatte China große Energieversorgungsprobleme, da nur wenig Rohöl oder petrochemische Produkte importiert werden konnten. Für den Busbetrieb mussten in einigen Städten die Fahrzeuge auf Erdgas umgerüstet werden. Hierfür wurden auf den Dächern große Säcke, die als Gasspeicher dienten, montiert. Die erfolgreiche Exploration eröffnete China eine deutliche Ausweitung und Stabilisierung der eigenen Industrie.

    Mittlerweile ist jedoch ein Ende der Rohölförderung abzusehen, da bereits 90 % Wasser und nur noch 10 % Öl gefördert wird. Das für die Förderung verwendete Wasser wird in eigenen Anlagen gereinigt und wird anschließend wieder in den natürlichen Kreislauf eingebracht. Allerdings kann derzeit noch keine vollständige Reinigung gewährleistet werden. Die Stadt hat sich jedoch bereits auf dieses Ende vorbereitet und die erwirtschaften Gelder sinnvoll und nachhaltig investiert.

    An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei @CaMa08 bedanken. Nur ihm ist es zu verdanken, dass diese Erkenntnisse auch in wunderbar lesenswerten Berichten der Öffentlichkeit zu Gute gekommen sind. Nicht zuletzt hat er auch den finalen Anstoß zu unserer Expedition gegeben, damit wir diese nebulösen Illustrationen endlich für sämtliche Pyrologen gewissenhaft darlegen können.
     
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