Historie "schnarchende Zeuge"

Dieses Thema im Forum "Museum, Firmen, Historie" wurde erstellt von Pyromartin, 4. Juni 2021.

  1. So, gerade habe ich etwas gelesen was auch unser Computerspezialist @Pyro im WWW wohl nicht finden kann. Ich konnte es nicht. Als kleiner Tip, die Bezeichnung stammt aus dem Jahre 1704. Die Antwort wußte ich bis eben auch nicht.
     
  2. Hat es was mit Kanonen zu tun?
     
  3. Nein, mit Kanonen hat es eigentlich nichts zu tun. Noch ein Tip "Zeuge" sind im heutigen Sprachgebrauch "Sätze". Zeug oder Zeuch so benannte man damals eine pyrotechnische Mischung oder Feuerwerkssatz.
     
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  4. Da würde ich auf eine Art Knatter-, bzw. Strobosatz tippen, wie bei den Raketen mit Stroboaufstieg, die dieses 'Brrrrrrrr' Geräusch machen. Das würde mich am ehesten ans Schnarchen erinnern.
     
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  5. Da schließe ich mich der Antwort von Rumo an. Ich kann mir zwei Sätze vorstellen, die abwechselnd verpresst werden. Ein Satz ergibt ein dumpfes Rattern, der andere ein Pfeifen. Zusammen Chrrrr-pfuuuuiii. Kommt das so in etwa hin?
     
  6. @Rumo und @Knallmeister denken zu modern, würde ich annehmen. Obwohl eine nette und vermeintlich naheliegende Erklärung gab es um 1700 keine Pfeifsätze, dazu fehlten die Perchlorate, Salicylate und Benzoate. Vielleicht gab es schon irgendwelche schwachen Geräusche auf anderer Basis oder durch bestimmte Bauformen, aber um 1700 existierten nur farblose, schwach leuchtende und stark begrenzte Möglichkeiten.

    Und was macht man, wenn man nur wenig Effekt und geringe Effektvielfalt hat? Man versucht, den Effekt zu verstärken - und das geschieht manchmal dadurch, dass man alles einem pyrotechnischen Satz hinzufügt, was einem im Alltag in die Finger kommt und so rumprobiert.

    Ok, bis hierher sind's meine Überlegungen.

    Auf die eigentliche Lösung wäre ich nie selbst gekommen! Aber ich habe sie dennoch ermittelt. Obwohl ich die Namenswahl "schnarchend" nicht wirklich nachvollziehen kann, könnte man einen schnarchenden Zeugen als urtümlichen Vorläufer von Glitter-Sätzen bzw. Metallpulver-Reaktionen ohne Metalle bezeichnen ;)

    Die Lösung und die Quelle für die Lösung kommt, wenn Ihr noch etwas weiter überlegt habt :)

    @Pyromartin Das hatte ich noch nie gehört und vermutlich auch überlesen / vergessen, selbst wenn ich es in Büchern gefunden hätte. Aber so bleibt's mir in Erinnerung - auch hierfür vielen Dank!

    P.s.: Und ich kümmere mich bald endlich um die Wiederherstellung unseres Wikis - die Begriffe müssen da alle noch erfasst werden!
     
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  7. Ich kenne in die Richtung nur den "hydraulischen Schnarcher" aus dem Buch von August Scharfenberg - ein Wasserfeuerwerk, Fontänenbränder mit Schwimmkörper, allerdings asymmetrisch, sodaß wie bei einem Stehaufmännchen die Fontäne sich immer wieder untertaucht, wieder aufrichtet usw... Das Schnarchen ist dann das Gluckern der Fontäne unter Wasser
     
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  8. Das klingt schlüssig in meinen Augen^^
     
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  9. Das ist verdammt schwer wenn man über 300 Jahre zurück geht. Der moderne Mensch, mit all seinem technischen Wissen kann das kaum nachvollziehen. Hier nun die Auflösung mit der original Passage des Buches von 1704. schnarchende Zeuge.PNG
    Laut dem Author wurden alle Sätze die Glaspulver enthielten "schnarchende Zeuge" genannt. Ich habe noch nie einen Satz mit Glaspulver brennen sehen. Der Author sagt, das die Funkenstrahlen des brennenden Satzes sich teilen. Das Glas "springt" und erzeugt glänzende, stark "rauschende" Funken. Dieses "Rauschen" wurde "Schnarchen" benannt.
     
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  11. Ah ja, again what learned - welches Buch ist das denn?
    Funkensätze mit Porzellanpulver haben wir (nach alten Rezepten) probiert, das geht, gibt kleine, flittrig-weiße Fünkchen
     
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  13. Hallo @Pyro,,
    das hätte ich nicht gedacht, das man heutzutage in der Lage ist so alte Textstellen im WWW zu finden. Danke auch für die Nennung der Quelle. Das Buch hatte ich noch nicht in meiner digitalen Sammlung. Dieses habe ich mir dann direkt beim MDZ in München, in viel besserer Auflösung als bei Google, herunter geladen.
     
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  14. Dann kontere ich noch mit Scharfenberg :p

    schnarcher 1.jpg schnarcher 2.jpg
     
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  15. @Pyromartin und @Hanabi
    Das ist ja soooo interessant. Wirklich - und nicht nur in der feuerwerksarmen Zeit gerade. Ich liebe es, von der alten Kunst/Technik der Feuerwerkerei zu lesen. Bitte mehr davon!

    @Pyromartin
    Ich wusste das in der Tat auch nur am Rande und bin jetzt bei Deinen Fragespielen drauf gestoßen.
     
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  16. Gibt es eine Möglichkeit an solche Bücher zu kommen, ohne völlig arm zu werden? Vielleicht als Nachdruck?
    Ich finde das total faszinierend. Das älteste Buch, dass ich hier habe ist "Die Feuerwerkerei als Liebhaberkunst" von 1898, leider nur als Nachdruck. Im Vergleich zu diesen Sätzen hier wirkt das regelrecht modern :D
     
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  17. #17 Pyromartin, 4. Juni 2021
    Zuletzt bearbeitet: 4. Juni 2021
    @Wookiee Du kannst dir viele Titel kostenlos in mittlerweile vielen digitalen Archiven weltweit herunter laden. Das Münchener Digitalisierungs Zentrum (MDZ) ist eine sehr reichhaltige Quelle. Das von @Pyro benannte Buch habe ich mir eben beim MDZ, in viel besserer Auflösung als bei Google, herunter geladen. Nachdrucke sind mittlerweile selten geworden, da die digitale Technik so viel billiger ist. Die in den letzten 50 Jahren erschienen Nachdrucke erzielen mittlerweile schon hohe Sammlerpreise.
    Gerade habe ich mal im Netz nachgeschaut. Eins der wichtigsten Feuerwerkerei-Bücher, das für über 100 Jahre DER technische Standard war, ist Kazimierz Siemienovicz , Vollkommene Geschütz-Feuerwerck- und Büchsenmeisterey-Kunst , Frankfurt 1676. 1976 erschien ein sehr schöner Nachdruck. Mein Exemplar habe ich mir im letzten Millenium für damals um die 200,-DM gekauft. Bei ZVAB wird dieser Nachdruck nun zwischen 240,- und 379,-Euro angeboten. Einen digitalen scan des Originals, von sehr guter Qualität, kannst du dir kostenlos bei www.e-rara.ch herunter laden. Ein Original in deutsch wird wohl mehrere 1000 Euro kosten, falls du eins findest. Das Buch erschien Anfang des 17.Jhdt. in lateinisch, wurde dann aber schnell in holländisch, deutsch, französisch +? übersetzt.
     
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  18. Den erwähnten Reprint vom Siemienovicz habe ich selbst auch, der ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert! Und lohnt auch den vielleicht höheren antiquarischen Preis.
    Ein weiterer Reprint, der wirklich toll gelungen ist und den mir dankenswerterweise @Pyromartin besorgt hat, ist die zweibändige Ausgabe von "Kriegskunst und Kanonen" von Johannes Bengedans. Ich weiß spontan nicht, ob noch erhältlich, aber ebenso empfehlenswert :)
     
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  19. Hallo @Hanabi,
    gerade habe ich mal nach dem Bengedans Buch im Netz geschaut. Es wird bei Amazon für 16,98 angeboten. Das ist ein absoluter Wahnsinnspreis. Es sind ja 2 Bücher, das Fascimile und die Übersetzung in Dänisch und deutsch. Da wird das Porto vom Univerlag in Dänemark höher sein. Wie so etwas möglich ist, verstehe ich nicht. Aber, wie das wunderschöne Kunstdruckbuch, das zur 700 Jahr Feier in Berlin herausgegeben wurde "Das Buch der Feuerwerkskunst" von Gereon Sievernich, das seit über 20 Jahren verramscht wird. Scheinbar hat der Verlag damals eine viel zu hohe Auflage gedruckt und das Buch dann in Mengen verramscht. Ich habe mir gerade noch eins ersteigert zum Tauschen oder als Geschenk für einen guten Kollegen.
     
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  20. Ja, das stimmt - sowohl das "Buch der Feuerwerkskunst" als auch die "Schöne Kunst der Verschwendung" sind antiquarisch wirklich erstaunlich billig zu haben, was mich auch erstaunt. Von beiden Büchern habe ich erst vor kurzem auch nochmal je eines als Geschenk für einen Kollegen gekauft, insgesamt waren es mit Versand irgendwas um die 36 Euro....
     
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  21. Das MDZ ist ja eine echte Goldgrube, nicht nur feuerwerkstechnisch, vielen Dank!
     
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  22. Ist ja schon interessant was da so alles ans Tageslicht kommt. Bin auf weiteres gespannt. :)
     
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  23. @Pyro,
    in das von dir benannte Buch von 1791 habe ich gerade mal rein gelesen. Auch die von mir gezeigte Textstelle hat der Author wortwörtlich abgeschrieben. Dies, nur 90 Seiten starke Büchlein, ist für interessierte Bürger gedacht die sich ein Buch für ihr Hobby leisten können. Ein Buch zum Geldverdienen. Viele der kopierten Angaben waren schon 100 Jahre alt und waren 1791 überholt. Da mußte ich an meine erste Pyroliteratur aus USA denken. Es war eine Sammlung von Anleitungen die ab 1967 bis in die 80er verkauft wurden. Dies war wohl die 1. Pyroliteratur in den USA die auf den gleichen Käuferkreis zielte wie Schroka 1791.
     
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  24. Danke für den tollen Tipp. :good:
    Ich habe mir gerade so ein Buch im Antiquariat bestellt.
     
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  25. #25 Pyromartin, 7. Juni 2021
    Zuletzt bearbeitet: 7. Juni 2021
    Der original Preis dieses wunderschönen Buches lag meine ich bei 169,-DM. Qualitativ gute Bücher kosten nun einmal so viel. Nur, der Kundenkreis der bereit ist so viel Geld dafür auszugeben ist sehr, sehr klein. Da hat der Verlag mit der Auflage fehlkalkuliert. Das freut natürlich viele Liebhaber, seit 25 Jahren, die nicht bereit gewesen wären die 169,- dafür auszugeben. Das Buch enthält, unter anderem, mehrere kolorierte Zeichnungen aus einer Handschrift "unseres" Fürsten, Johann der Ältere, von 1610. Die Bilder im Buch sind von besserer farblicher Qualität als die des Originals in der Sammlung Preussischer Kulturbesitz. Die Bilder wurden farbdrucktechnisch aufgewertet. Die originale wurden mit einer Art Buntstift koloriert und fallen eher matt aus.
     
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