Großfeuerwerk [Videos] Abbrand in flüssigem Stickstoff - Feuerwerk: Sommer/Winter - Unterschiede?

Dieses Thema im Forum "Großfeuerwerk, Indoor-Pyrotechnik, SFX" wurde erstellt von glitzi, 8. November 2006.

  1. Die "Schwarzpulver-Reaktion" ist exotherm, soll heißen, sie gibt Energie an die Umgebung ab. Mag sein, das die Reaktionflamme aus geht - also nicht genügend Energie freisetzt, um das umgebene Schwarzpulver zu "aktivieren" - es bleibt aber Spekulation. Mit steigender oder sinkender Temperatur erhöht bzw. erniedrigt sich die Reaktionsgeschwindigkeit bei allen chemischen Reaktionen. Es gab dafür eine Faustformel, die ich leider nach fast zehn Jahren "nicht-benötigen" nicht mehr im Kopf habe... sorry ;)
     
  2. ja, da gehe ich mit dir einig.

    man könnte demnach also behaupten, dass man im winter mehr freude am feuerwerk haben könnte.
    sterne brennen länger und die effektdurchmesser sind demnach grösser. anzunehmen deshalb, weil der innedruck einer bombe bei der explosion vermutlich gleich gross ist wie im sommer. dafür ist alles weniger brillant, brennt aber länger. merken tut man das aber sicher nicht. der temperaturunterschied -20° zu +25°C ist vermutlich zu gering.

    toll. zum glück ist sivester im winter.

    ein vergleich ist aber so gut wie unmöglich. man kann wirklich nur vermuten.

    gruss stefan
     
  3. [Fotos und Videos] Abbrand von Litze und Wunderkerzen in flüssigem Stickstoff

    Hallo,

    warum nur ein Gedankenexperiment, wenn man es auch ausprobieren kann :D Ja, flüssiges Helium, was der theoretischen Diskussion einigermaßen nahe käme, ist etwas zu teuer dafür - aber etwas flüssigen Stickstoff kann man dem schon opfern... Das sind dann zwar "nur" knappe -200° (-196° um genau zu sein), aber auch das ist ordentlich kalt und sollte entsprechende Auswirkungen haben.

    Zuerst noch etwas zur Theorie... also ich halte es für etwas gewagt, beim Abbrandverhalten von Feuerwerk zwischen Sommer und Winter aufgrund von Temperaturunterschieden und aufgrund von allgemeinen Gesetzen und Regeln, die aus Reaktionen, die eine definierte Temperaturabhängigkeit zeigen, abgeleitet wurden, Unterschiede herzuleiten. Die beim Feuerwerk ablaufenden Reaktionen sind ziemlich komplex und unüberschaubar und Radikalreaktionen spielen auch eine Rolle, die mitunter anderen Gesetzen gehorchen. Nimmt man z.B. die RGT-Regel, eine gängige Abschätzung, würde man eine Verdoppelung der Reaktionsgeschwindikeit bei einer Temperaturerhöhung um 10K erwarten - was natürlich absolut unrealistisch ist, weswegen diese Regal auch nur in etwa bei Raumtemperatur und bei bestimmten Reaktionstypen Anwendung findet.

    Der 2. wesentliche Aspekt, wieso ich dem Einfluß der Umgebungstemperatur eher skeptisch gegenüber stehe, ist, dass die Reaktionen in pyrotechnischen Sätzen bei mehreren hundert °C, wenn nicht 1000K oder höher, ablaufen - Metallpulver und Perchlorat haben da ja noch einiges an Hitze mitgebracht. Ob man nun aber die Reaktion bei 1000°C oder bei 1040°C ablaufen lässt (mal einen Temperaturunterschied von 40°C Sommer vs. Winter angenommen)... . Die Reaktionsfront wird durch die Reaktion selber so stark erhitzt, dass sie sich überhaupt fortsetzt, und diese Erhitzung ist lokal und zeitlich sehr kurzfristig - ich bezweifel, dass bei ein paar °C Unterschied so unterschiedliche Wärmemengen an die Umgebung abgegeben werden, als dass das Auswirkungen hat.

    Anders sieht es natürlich mit dem Anzünden aus - bzw. der von flowaro angesprochenen Aktivierungsenergie. Zum Entzünden muss ein kleiner Bereich des Satzes heiss genug werden und auf die Zündtemperatur gebracht werden - und dazu dient i.d.R. eine sehr kleine Hitzequelle. Dass da etwas Energie verbraucht wird, wenn alles sehr kalt ist, und sich das relativ zur kleinen Zündquelle bemerkbar machen könnte, halte ich durchaus für möglich.

    Daher wäre bei der stark gekühlten Zündschnur, mit sehr großen Temperaturunterschieden, auch irgendwann denkbar, dass die Aktivierungsenergie vielleicht nicht mehr erreicht wird.

    Damit wird es auch endlich wieder anschaulich ;), denn das lässt sich schön ausprobieren:
    Einmal mit Wunderkerzen (als metallhaltiger Satz) und einmal mit Litze (als Schwarzpulver-Satz) (Für die Videos auf das Bild klicken, VCD.) Das Reaktionsgefäß ist dabei komplett mit flüssigem Stickstoff bis zum Rand gefüllt und es wurde lange genug gewartet, bis auch alles wirklich abgekühlt war.

    1. Wunderkerzen


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    Wie man sieht - kein Problem, die Wunderkerze brennt einwandfrei weiter. Dabei kommen natürlich 2 Effekte zusammen: Einmal Sauerstoff-freie Atmosphäre (daher keine Funken) und die extreme Kälte.

    Ausgesprochen unerwartet war dabei der Effekt, dass der flüssige Stickstoff sich deutlich verfärbt (2. Bild). Da sich sehr sehr wenig in Stickstoff löst, haben wir eine Weile über der Farbe gerätselt, bis das Gefäß wieder warm wurde und sich komplett mit braunem Gas füllt - NO2 (Stickstoffdioxid). Offenbar entsteht bei der heissen Zersetzung des Nitrats in der Wunderkerze NO2, (und etwas N2O3 durch Reaktion mit NO) welches durch den kalten Stickstoff gleich tiefgefroren wird (keine Zeit hat, um komplett zum farblosen N2O4 zu dimerisieren oder gar auszugasen) und dann beim Warmwerden verdampft.

    2. Litze (gelb)


    [​IMG]

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    Auch die Litze verbrennt im flüssigen Stickstoff komplett und unter starkem Aufkochen des Stickstoffs durch. Allerdings scheint sich der Abbrand doch merklich zu verlangsamen. Der Rückstand zeigt sogar noch teilweise das Gewebe der Litze, unverbrannt, das Schwarzpulver in der Mitte ist jedoch völlig abgebrannt.

    Offensichtlich reichen nicht einmal knapp -200°C, um die kühlere Schwarzpulverreaktion zu stoppen.

    Gruß,

    ivhp
     
  4. Phänomenal - vielen Dank!
     
  5. Echt Cool! ;-)
    Aber eigentlich ein erstaunliches Ergebnis, da Wunderkerzen ja in Wasser ausgehen - das Wasser bei Zimmertemperatur offensichtlich genug kühlt. Das Experiment habe ich mal bei Clever gesehen. Erst durch den Verbund von mehreren Wunderkerzen konnte im inneren des Verbundes genügend Hitze entstehen um die Reaktion aufrecht zu erhalten.
    Das könnte daran liegen, dass man einfach viel mehr Energie benötigt, um die gleiche Menge Wasser zu erhitzen wie (flüssigen) Stickstoff. Den Stickstoff muss man im Prinzip ja nur schräg angucken und schon verdampft er wieder.
    (Wir schweifen vom Thema ab ... )

    Endlich gibts mal wieder spannende Experimente zum Frühstück :)

    Grüße vom Physiker
     
  6. Hey ivhp,

    solche Möglichkeiten hätte ich in meinem Labor auch gerne ;) Da wir hier mit hochentzündlichen Lösungsmitteln arbeiten ist sowas leider gar nicht möglich...

    *unter uns: ehrlich gesagt habe ich nur auf ein solches Posting von dir gewartet :D ;) *

    @Wunderkerze eine Anmerkung: Schonmal daran gedacht, dass auch der (fl.) Stickstoff mit den Proben reagieren kann (besonders bei den auch von Dir angesprochenen hohen Temperaturen im Zusammenhang mit dem fl. Stickstoff, der sehr gut im flüssigen Zustand in die Wunderkerze "greift")? Bekanntlich finden "Metallbrände" bei sehr hohen Temperaturen statt. Zudem sind im gros bei allen Feuerwerksreaktion "Radikalreaktionen" beteiligt. Was erklären würde, warum beim Abbrand der Wunderkerze soviel Stickoxid gebildet wurde und vielleicht auch einen Teilhinweis darauf geben kann, warum das gleiche Experiment mit Wasser nicht funktioniert. Beim "freien" Abbrand einer Wunderkerze habe ich bisher eigentlich nichts davon gerochen, wobei ja bekanntlich Stickoxide einen unverkennbaren Geruch haben...

    ...leider von mir immernoch ein großes ABER: -196°C sind keine -273,15°C (und danach wurde ja schließlich gefragt ;) ). Und dabei meine ich nicht nur den Temperaturunterschied "absolut", wie einige hier es fälschlicherweise sehen (es ist nicht böse gemeint!, schließlich besteht ein gravierender Unterschied, ob man eine T-Differenz von 100°C zu 22°C betrachtet oder -196°C zu -273°C), sondern auch die der Temperatur zugrundeliegenden Hintergründe... Außerdem *auf normaldeutsch geschrieben:* sind die Verhältnisse "brennender Probenmenge" zu "kalterer Probenmenge" nicht zu vernachlässigen, was ja auch das angesprochene Wunderkerzen/Wasser-Experiment verdeutlicht. Jeder kennt das Sprichwort: " Viel hilft viel". Das Verhalten ist keineswegs "Linear".

    ansonsten schön das Du wiedermal die Möglichkeit hattest den Teil der Praxis zu übernehmen...

    (auch wenn es sehr interessant ist, verkommt dieser Thread immer mehr zum Offtopic, da es nichts mehr mit der Ausgangsfrage zu tun hat - und damit an vielen Lesern, denen es auch interessieren würde, vorbei geht. Hey Mods, ansonsten seid ihr in letzter Zeit so freudig am Threadtitelwechseln... ;))
     
  7. Hallo,

    @flowaro: Ja, Lösungsmittel mögen das nicht gerne... aber es gibt ja noch die 1. Semester Grundpraktikums-Räume. Wo tagsüber fast 50 Studenten gleichzeitig mit Bunsenbrennern arbeiten, ist eine Wunderkerze das geringste Problem.

    Zu der Wunderkerze: Also, unter Wasser brennen die schon - sie muss nur entweder ein Stückchen dicker sein oder man muss, wie Physiker ja schon erwähnt hat, ein paar bündeln. Ich würde den Effekt schon auf die Kühlwirkung zurückführen, da Wasser eine deutlich höhere Wärmekapazität hat und eine nicht unerhebliche Verdampfungsenthalpie. Stickstoff ist zwar schön kalt - aber bei weitem nicht so effizient als Kühlmittel.

    Die Stickoxid-Entwicklung würde ich beim freien Raumtemperatur-Abbrand einer Wunderkerze auch als "quasi nicht vorhanden" Einstufen - ob es aber an einer Reaktion mit dem Stickstoff liegt...ich würde es auf eine thermische Zersetzung des Nitrats bei der Reaktion mit Aluminium schieben, nur, dass aufgrund der Kälte die Reaktion entweder nicht vollständig ist bzw. die Reaktionsprodukte noch an der Reaktionsfront abgeschreckt werden bevor sie weiter reagieren können. Viele Nitrate zersetzen sich ja beim Erhitzen, es wäre also denkbar, dass die Schmelze an der Reaktionsfront in einem Bereich so heiss ist, dass sie sich zersetzt, aber noch nicht heiss genug, dass es "normal" verbrennt.

    Was das Verhältnis brennende Probenmenge zu Kühlmedium angeht: Klar, letzlich läuft alles darauf hinaus. Das hatte ich mit dem Anzündverhalten (und der sehr kleinen Wärmemenge des Zünders) ja auch kurz angerissen. Eine "unendlich dünne" Schwarzpulverschnur wird sofort ausgehen, eine "unendlich dicke" halt unverändert weiter brennen. Allerdings ist die "Probenmenge" bei der Fragestellung "gibt es Unterscheide im Abbrandverhalten von Feuerwerkskörpern aufgrund der Temperatur (bezogen auf Sommer/Winter)" ja "vorgegeben" und da denke ich, dass Litze eine ganz realistische Dicke der Schwarzpulverschicht aufweist ist, verglichen z.B. mit Sternen.

    Bezogen auf die Fragestellung "was passiert bei -273°" ist das sicher letzlich eine Frage, wieviel Energie setzt meine Zündschnur frei und genügt das, um die Reaktion voranschreiten zu lassen oder nicht - und das lässt sich durch die Dicke der Zündschnur, durch die Tiefe der Temperatur und wahrscheinlich noch durch ein paar mehr Faktoren sicher so steuern, dass sie früher oder später erlöschen wird. Klar ist auch, -273K ist nochmal was anderes - allerdings würde ich auch da das ganze auf die Frage reduzieren, gelingt es der freiwerdenden Wärmemenge, die Reaktionsfront genügend zu erhitzen.

    Gruß,

    ivhp
     
  8. #33 flowaro, 14. November 2006
    Zuletzt bearbeitet: 14. November 2006
    im gros stimme ich mit Dir überein, bzw. hatte ich vom Sinn her gesehen auch schon selbst diese Antworten gepostet...

    allerdings glaube ich nicht, dass die beschriebenen Mengen Stickoxid alleine aus dem Nitrat herrührt. Dann müßten bei einer in einer normalen Umgebung brennende Wunderkerze ebenfalls jene Menge Stickoxid auftreten.
    Nicht umsonst nutzt man Stickstoff neben Helium oder Wasserstoff aufgrund der Eigenschaften auch für chromatographische Methoden als mobile Phase, da Stickstoff in die "stationäre" (feste) Phase greifen kann (aufgrund der Molekülgröße). Daher vermute ich, das bei deinem Versuch Stickstoff nicht nur als Kühlmittel wirkt, sondern auch vor Ort, in der Reaktionsflamme vorhanden sein wird. Ich glaube nicht, dass die Stickoxide alleine auf deine angesprochene "Kondensation" bzw. "Teilumsetzung" zurück zu führen sind. Ich habe immer gelernt, dass eine bestimmte Reaktion nur ab einer bestimmten Mindesttemperatur (=Energie) stattfinden kann. Gut, eine Reaktion kann in einer Zwischenstufe verharren, wenn nicht genug Aktivierungsenergie für eine Weiterreaktion vorhanden ist, insofern dafür weit mehr Aktivierungsenergie benötigt wird. Aber dass so etwas bei dieser Reaktion geschieht, halte ich für zweifelwürdig. Dafür sind solche Teilaktivierungsenergien zu gering verschieden. Zudem, wie Du selbst geschrieben hast, finden radikalische Reaktionen statt - der "Metallbrand" der Wunderkerze liefert Temperaturen weit über 1000°C, mit Sicherheit auch unter flüssigem Stickstoff (dass eine Reaktion stattfindet, hast Du ja sehr gut dokumentiert) wobei der Gasdruck der Wunderkerzenreaktion ausreicht, das Kühlmittel Stickstoff von der Reaktionsflamme fern zu halten - also "genug Temperatur" - vor allem für Radikalreaktionen... Mir schwebt bei Deinen Antworten übrigens auch die Frage im Kopf: Reicht die "Abkühlzeit" von über 1000°C auf ca. -196°C abzukühlen aus, um die Reaktion, die in wenigste millisekunden stattfindet, ein zu frieren?!? Vielleicht hast Du/ihr aber auch recht und ich verrenne mich hier - mir kommt es jedoch etwas komisch vor.

    soweit ersteinmal, damit es nicht ausufert ;) wir drifften jetzt tatsächlich ab...

    Gruß
    flow
     
  9. Hallo,

    das Thema ist zwar schon älter - aber ich bin zufälligerweise noch über eine Zahl gestolpert, die in dem Zusammenhang interessant sein dürfte. Conkling gibt im Abschnitt "Ignition and Propagation" unter "External Temperature" an, dass Schwarzpulver bei 0°C 15% langsamer als bei 100°C verbrennt. Das ist doch ein durchaus messbarer Effekt, man sollte also annehmen, dass man zwischen -10° und +30° zwar nichts sieht (bezogen auf längere Brenndauer der Sterne, weniger intensiver Abbrand o.ä.) , aber wohl schon einen Unterschied bei den üblichen pyrotechnischen Mischungen messen können sollte.
    Nach B. J. und K. L. Kosanke (in "Control of Pyrotechnic Burn Rate", in "Pyrotechnic Reference Series No. 4") nimmt die Abbrandgeschwindigkeit von Visco von 0,94 cm/s bei -6 °C auf 0,98 cm/s bei 38 °C zu - auch ein nur messbarer, sonst kaum beobachtbarer Effekt, deckt sich jedoch mit der Beobachtung des langsameren Abbrands im fl. Stickstoff.

    Was das entstehen der Stickoxide angeht: Conkling und Shimizu geben an, dass Bariumnitrat bei höherer Temperatur zu BaO und N2 und O2 zerfällt, bei mittlerer Temperatur aber sich zu NO und NO2 zersetzt (und bei niederer zu O2 und Bariumnitrit). Ich würde daher annehmen, dass die Stickoxide entweder immer entstehen als Nebenprodukt bei der Verbrennung der Wunderkerze, aber nicht weiter auffallen - oder aber, dass das Kühlen die Niedertemperaturzersetzung des Bariumnitrats begünstigt (z.B. weil die heisse Reaktionszone schnell abgekühlt wird und sich nicht restlos umsetzt) und daher in fl. Stickstoff mehr NO2 entsteht.

    Gruß,

    ivhp
     
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