Handhabung & Technik Carbonate

Dieses Thema im Forum "Professionelle Technik, Sicherheit, Handhabung" wurde erstellt von Gipsbombe, 3. Juni 2009.

  1. #1 Gipsbombe, 3. Juni 2009
    Zuletzt bearbeitet: 4. Juni 2009
    Hallo:)
    Es würde mich mal interessieren, inwieweit Carbonate in einen "Ablauf" eingreifen.
    Zum einen gibt es ja diese einfache Reaktion von z.B. Magnesium mit einem Carbonat, d. b . das Magnesium " entreißt" dem Carbonat einen Anteil Sauerstoff, wird zu MgO.
    Anders gibt es doch diese Reakionen, daß ein "Satz" bewußt so zusammengesetzt wird, daß aus relativ unbeteiligten Substanzen (Kreide, eben Carbonaten) währen der Reaktion z.B. flüchtige Verbindungen als Chloride entstehen, und dadurch eine Verstärkung der Farbgebung bewirken können.
    Mich würde da einmal ein relativ genauer Reaktionsvorgang interessieren.
    Ein absolut genauer Vorgang wird wohl ebenso wie bei der Schwarzpulver-Verbrennung nicht möglich sein, weil extrem viele Nebenreaktionen ablaufen.
    Aber vielleicht hat da ein versierter Chemiker schon mal "reingerochen;)"
    Vielen Dank,
    GB:joh:
     
  2. Da will sich wohl jemand Schritt für Schritt in die Chemie einarbeiten ;)
    „In einen Ablauf eingreifen“ ist im Fall der auftretenden Reaktionen ein wenig irreführend formuliert, die Carbonate nehmen ja selbst an den Reaktionen Teil.
    Unterschiedlich ist dabei die Funktion die sie in einem pyrotechnischen Satz übernehmen können. Das kann z.B. die Rolle des Oxidationsmittels sein, wie in dem von dir angesprochenen Beispiel mit Magneisum. Nachdem Carbonate nicht wirklich potente Oxidationsmittel sind braucht es da als „Gegenpart“ schon ein starkes Reduktionsmittel wie Magnesium oder Aluminium damit eine Reaktion abläuft. Bessere Erfolge erzielt man da allerdings mit Sulfaten. (so wie Gips ;) )

    Eine weitere Verwendung finden Carbonate als farbgebende Salze. Das Kation (z.B. Strontium, Barium, Calcium) wird dabei durch die Hitze der Reaktion im Satz angeregt und strahlt Licht in charakteristischen Wellenlängen aus. Jetzt hängt aber die Farbe nicht nur vom Kation allein ab, sondern davon in welcher Form es vorliegt. (Strontium beispielsweise zeigt in elementarer Form eine violett-blaue Flammenfärbung).
    So zeigt ein einfacher Satz aus chlorhaltigem Oxidationsmittel, Reduktionsmittel und Strontiumcarbonat mehrere Banden im Lichtspektrum, die sich unter anderem auf elementares Strontium und die Verbindungen SrOH, SrO und SrCl zurückführen lassen. Je nachdem ob die Flamme oxidierende oder reduzierende Eigenschaften hat reagiert das Strontiumcarbonat unter Abgabe von CO2 zu SrO, welches bei den hier betrachteten Temperaturen als Feststoff vorliegt. Weitere Reaktionswege sind ab jetzt vielfältig - ein Beispiel:
    Mit Wasser als Reaktionsprodukt der Zersetzung organischer Materialien kann SrO dann bei genügend Hitze weiter zu SrOH* reagieren, das dann wiederum mit Chlorgas zu SrCl* reagiert. (Wie dem einen oder anderen auffallen wird stimmen hier scheinbar die Verhältnisse nicht weil es ja eigentlich SrCl2 sein müsste... In diesen krassen Temperaturbereichen liegen die Verbindungen allerdings in der Gasphase als freie Radikale vor, da sieht die Situation ein wenig anders aus. Deswegen auch der *). SrCl* ist ein sehr guter Farbgeber.
    Wie die Farbe erscheint lässt sich unter anderem mit der Wahl der Oxidations- und Reduktionsmittel und weiterer Zusatzstoffe regulieren. Es kann jedoch schnell passieren das ungewollte Verbindungen entstehen, die die Farbe ins orangene Verschieben oder aber die Intensität spürbar abnehmen lassen.

    Die eigentliche Anregung findet hier auf molekularer Ebene statt, die einzelnen Atome werden so angeregt das sie auf verschiedene Weise mit- und gegeneinander schwingen, um die Bindung rotieren etc. (vielleicht klären wir das wann anders mal, aber das ist unter anderem der Grund warum metallhaltige Sätze ohne spezielle Zusatzstoffe sehr schnell nur noch grell weis statt farbig erscheinen.)

    Eine weitere Funktion haben Carbonate: Sie reagieren in wässriger Lösung alkalisch und können damit zur Regulierung des pH-Wertes eingesetzt werden. Chlorathaltige Sätze können z.B. sich unter Umständen selbst entzünden wenn sie feucht werden und ein saures Milieu haben.

    Nun hoffe ich mal ich habe hier nicht zuviel Unsinn erzählt... ;) Eike?
     
    dEEcorPyro und Gipsbombe gefällt das.
  3. Danke Marcel,
    ist schon sehr interessant und sehr ausführlich.

    Naja, soo ganz "chemiefrei" bin ich ja auch nicht. Ich könnte jetzt z.B. etwas über die Untersuchung von Wasser- oder Bodenproben erzählen, denke aber, das paßt irgendwie nicht in ein Fwk-Forum.:blintzel:

    Könnte der z. B. so aussehen?
    KCLO4 + 2Mg + SrCO3 + S = KCl + 2 MgO + SrO + CO2 + SO2
    Wenn ja, bei welchem Zwischenschritt würde SrCl* entstehen?
    (Lacht jetzt nicht, ich habe schon ewig lange keine Formeln mehr erstellt:eek:)

    LG
    GB
     
  4. Damit habe ich das letzte mal vor längerer Zeit zu tun gehabt, meine Facharbeit fürs Abitur war über Trinkwasseruntersuchung... ;)

    Das Beispiel was ich gegeben habe stammt aus einem Satz, den Shimizu für Farbunterschungen hergenommen hat. Die genaue Zusammensetzung werde ich verständlicherweise nicht posten, Bestandteile waren Ammoniumperchlorat, Schellack und Strontiumcarbonat. Dieser Satz brennt in relativ tiefen Temperaturbereichen ab. Um die Temperatur zu steigern werden an anderer Stelle in dem Text auf den ich mich beziehe, Magnesium und PVC hinzugegeben.

    Bei pyrotechnischen Reaktionen kann man nicht eine einzelne Formel als Erklärung für das Reaktionsverhalten zu Grunde legen. Zum einen laufen Prozesse in mehreren Teilschritten ab, wobei mögliche Zwischenprodukte für die Farbgebung interessant sind. Zum anderen entstehen bei der Reaktion derartig hohe Temperaturen, das sehr viele verschiedene Prozesse parallel ablaufen und man unmöglich genau sagen kann was in welcher Weise mit wem reagiert. Lediglich grobe Tendenzen kann man ausmachen.
    In unserem Fall würde nach dem Entzünden das Ammoniumperchlorat schmelzen und in mehreren Schritten den Schellack, der ja aus unterschiedlichsten organischen Bestandteilen besteht (eine Elementaranalyse ergibt ca. 67 % Kohlenstoff, 24 % Sauerstoff, 9% Wasserstoff und einen geringen Teil Asche), oxidieren. Dabei entstehen hauptsächlich CO2 und H2O. Das Ammoniumperchlorat hinterlässt als Abbauprodukte eine Mischung aus nitrosen Gasen, HCl und Cl2.
    Die dabei frei werdende Wärmeenergie sorgt dafür, dass das Strontiumcarbonat CO2 freigibt und SrO übrig bleibt (laut wiki bei 1268 °C).

    Das Strontiumoxid wird sich dann in einer Abfolge mehrerer Teilreaktionen erst mit H2O zu SrOH* verbinden das dann wiederrum mit Chlorgas zu SrCl* wird.
    Dieses Strontiummonochloridradikal bleibt, wenn alles richtig läuft, lange genug bestehen um in die Flamme transportiert zu werden, wo es durch thermische Anregung zum Leuchten angeregt wird und dies bei 4 verschiedenen Wellenlängen auch tut ;)
     
  5. #5 Gipsbombe, 4. Juni 2009
    Zuletzt bearbeitet: 4. Juni 2009
    :joh:Ist ja nett, wie klein die Welt doch ist (chemisch:blintzel:).
    Ich habe hier ja mal
    http://www.feuerwerk-forum.de/showthread.php?t=22983&highlight=Die+Verbrennung+Schwarzpulver
    reingeschrieben, wo man so ein bißchen erkennen kann, wie schwierig es war der ganzen Angelegenheit auf die Schliche zu kommen.
    Gibt es eigentlich ein Buch über diese Umsetzungen, in welchem die chemischen Reaktionen relativ genau beschrieben sind?
    Ich habe ja Einblick in den Urbanski, aber der hat halt fast nur mit Sprengstoffen zu tun, pyrochemische Reaktionen sind da leider so gut wie gar nicht beschrieben.
    GB
     
  6. Aufgrund von Zeitmangel nur ein kurzer Einwurf in die schöne Diskussion: Kaliumperchlorat und andere anorganischen Chlorverbindungen ausser den Farbgebern selber (als NaCl usw.) sind erwiesenermaßen sehr schlechte Chlorionenspender. Es wird also wie Darude schon schreibt wenig Sinn machen sich für diese spezifische Erklärung eine exakte Umsetzungsreaktionsgleichung zu überlegen, diese ist 1. doch weit weg von der Realität und 2. würde sie die extrem kurzlebigen Zwischenprodukte nicht erfassen.

    Zur effizienten Bildung von SrCl in o.g. Beispiel von Gipsbombe braucht man einen organischen Chlorionenspender, der in der Flamme dazu führt, dass intermediär das SrCl gebildet wird - auch wenn die Gesamtreaktion beispielsweise mit der von Gipsbombe angegebenen Reaktionsgleichung angenähert werden mag, auch wenn ich mich darauf festlegen wollen würde welche Produkte am Ende tatsächlich gebildet werden.

    Literatur: Klar, da gibts eine Menge, allerdings nicht in Form exakter Reaktionsgleichungen. Schöne Ausführungen zur Farbgebung sind schon in Shimizu, FAST; Conkling, Chemisty of Pyrotechnics und insbesondere in Artikeln im Sammelband "Pyrotechnic Chemistry" (Ed.: Kosanke) (Artikel: The Chemistry of Colored Flame)
     
  7. Was kann man denn da empfehlen... mal aus meiner Sicht:

    Ziemlich gut sind die einzelnen Abläufe und Grundprinzipien in "Chemistry of Pyrotechnics" von John A. Conkling beschrieben.

    "Military and Civilian Pyrotechnics" von Herbet Ellern konzentriert sich dann schon mehr auf die Wirkung die ein Satz erzeugen soll, warum er das tut und zeigt das anhand vieler Beispielhafter Zusammensetzungen, z.B. aus militärischen Leuchtkörpern.

    Ganz interessant sind auch die Artikel des "Journal of Pyrotechnics", und die Sammlung ausgewählter Artikel "Pyrotechnic Chemistry" (Herausgeber siond die Kosankes). Da kann man Artikel auch online kaufen, unter anderem recht detaillierte Studien von Shimizu (Selected Pyrotechnic Publications of
    Dr. Takeo Shimizu, Part 3) welche Reaktionen in farbigen Flammen auftreten und wie man die Farbe gezielt durch die unterschiedlichsten Parameter beeinflussen kann (daraus stammen auch die Infos der oberen Posts).

    Wenn du jetzt nicht gleich 2, 3 Bücher kaufen möchtest bietet auch "Fireworks, The Art, Science and Technique" von Shimizu eine sehr gute Grundlage :)
     
  8. #8 Gipsbombe, 4. Juni 2009
    Zuletzt bearbeitet: 5. Juni 2009
    Danke Euch:joh:
    Wo bekommt man denn den Shimizu her?
    Und trotzdem noch mal angenommen, man verwendet PVC-Pulver als Chlorionen-Spender.
    Bei Verbrennung desselben entsteht ja eigentlich ursächlich HCl (neben dem ganzen Wust an organischen Verbrennungsprodukten), in "Ionen-Form".
    Das würde bedeuten, daß H+ und Cl- Ionen zu Verfügung stünden.
    Aber die Frage ist, warum diese Cl - Ionen ausgerechnet das Kation eines zugefügten Carbonats, welches natürlich auch in der Hitze in Ionen zerlegt wurde, zur stärkeren Leuchtkraft anregt.
    Muß man sich das vorstellen als eine Art glühende "Ursuppe" wo einfach Alles mit Allem reagiert und je nach "Zutat" und Reaktionsablauf gibt es erwünschte oder unerwünschte Reaktionen? (Pyrotechnisch gewünscht oder unerwünscht).
     
  9. Den gibt es eigentlich bei allen größeren Buchhändlern, Amazon müsste ihn z.B. haben. Ansonsten: ISBN notieren und beim örtlichen Buchhändler bestellen :)

    Schwierige Frage die du da stellst, weil sie erfordert das man ein wenig tiefer in die Reaktionskinetik usw. einsteigt. Ich versuche es mal kurz und knapp zu halten:
    HCl entsteht hier nicht in Form von Ionen sondern als Gas. Es sind lauter einzelne HCl-Moleküle, die über eine polare Bindung miteinander verbunden sind.
    Die Bindung zwischen diesen Molekülen kann bei genügend Energiezufuhr aufgebrochen werden, genauso wie die Bindung zwischen unserem Strontium und Sauerstoff (aus dem im ersten Schritt entstehenden Strontiumoxid). Wasserstoff und Sauerstoff verbinden sich zu H2O, eine Reaktion bei der viel Energie frei wird. (Merke: Wenn bei einer Reaktion Energie frei wird ist das "gut", weil ein System dazu bestrebt ist möglichst viel Energie an seine Umgebung abzugeben). Übrig bleiben nun Strontium und ein Chloratom, welche miteinander unter Bildung von Strontiumcholrid reagieren.

    Im Prinzip ist es so das bei der Reaktion eines pyrotechnischen Satzes genügend Energie frei wird, sodass die Aktivierungsenergie für sehr sehr viele Reaktionen überwunden wäre. Verbindungen, die bei diesen krassen Temperaturen entstehen, sind aber oft instabil und zerfallen im weiteren Reaktionsverlauf unter Freisetzung von Energie wieder.

    So, jetzt wird aber nicht einfach nur "das Strontium" zum Leuchten angeregt und das Chloratom sagt "hey find ich gut, da pack ma mal aweng Intensität drauf".
    Was jetzt durch Hitze angeregt wird ist Das gesamte Molekül. Dieses kann, wie oben schon beschrieben, in Drehung und verschiedene Schwingungen versetzt werden. Es wird in einen energetisch angeregten Zustand versetzt, aus dem es wieder zurückfällt indem es Licht aussendet.

    Welches Licht ausgesendet wird, hat damit zu tun mit welcher Energie man das Molekül anregen kann. Ein Molekül spricht nicht auf beliebige Energien an, sondern kann nur in ganz bestimmten, diskreten Energeniveaus angeregt werden (Das hat seine Ursache in der Quantenmechanik). Der Betrag der Energie und die Wellenlänge des Lichts stehen über die Beziehung

    E = hυ = hc / λ

    im Zusammenhang (E= Energie, h = Plankchsce's Wirkungsquantum, c = Lichtgeschwindigkeit,
    υ = Frequenz,λ = Wellenlänge). In unserem Fall gibt das angeregte Strontiummonochlorid beim Übergang auf den nicht angeregten Zustand Energie im Form von Licht ab, am intensivsten ungefähr bei den Wellenlängen 636nm, 660nm und 675nm ).
     
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  10. Flammenfärbung

    Sehr geehrter Herr Gipsbombe:

    Wir haben uns ja bereits auf diesem "site" kennengelernt. Gerne gebe ich meinen Senf dazu.

    Mit der Chemie der Feuerwerksflammenfarben ist das in etwa so, wie ein Tausendfüssler, der versucht, seine Beine bewusst und nicht instinktiv zu koordinieren. Es ist so kompliziert, dass man verrückt wird. In der Praxis arbeitet man mit Modellvorstellungen, die das wirkliche Geschehen (unzulässig) vereinfachen, aber in der Praxis sehr gut funktionieren.

    Moderne Feuerwerksleuchtsätze bestehen zumeist aus Kaliumperchlorat, Aluminium-Magnesium-Legierung 50% : 50%, PVC oder einer anderen organischen Chlorverbindung, einem geeigneten Brennstoffharz (ich wil lhier nicht konkreter werden, um niemandem "Bastelanleitungen" zu geben, wie es dieses "site" verlangt), einem Bindemittel und einer anorganischen Verbindung, die den Flammenfärber enthält.

    rot: Strontium: färbt als SrCl-Radikal tiefrot, als SrOH-Radikal orangerot
    grün: Barium: färbt nur als BaCl-Radikal grün, alle anderen Barium-Radikale geben gelbliche oder gar rötliche
    Farben
    orange: färbt als CaCl-Radikal rot-orange, CaOH-Radikal gelb-orange
    gelb: Natrium: färbt nur als elemenarer Metalldampf gelb
    blau: Kupfer: nur das CuCl-Radikal färbt violett-blau, das CuOH dagegen grün und das CuO-Molekül sogar
    rot. Komischerweise muss man in den Sätzen, ganz gegen die Chemie-Theorie so tun, als sei das
    farbgebende Teilchen nicht CuCl sondern CuCl2, dann wird das Blau nämlich erfahrungsgemäss
    besser.

    Barium, Strontium, und Clacium kann man gut als Carbonate oder als Sulphate ind den Satz tun. Und das funktioniert dann so: Bindemittel, Harz und PVC müssen den Sauerstoff des Perchlorats vollständig verbrauchen, sonst wird die Farbe Sch... . Erst danach zünden Aluminium und Magnesium (also zeitversetzt und bei höherer Temperatur). Da sonst nichts mehr da ist, reduzieren sie die Sulfate oder Carbonate nicht etwa nur bis zum Oxyd, sondern bis zum chemischen Element. Dieses nun reagiert mit dem zurückgeblieben Chlor, das "niemand" haben wollte und bildet so die flammenfärbenden Monochloridradikale.
    Mit dem Kupfer ist das ganz ähnlich. Heute gibt man es eigentlich nur noch als Oxyd, basisches Carbonat oder gar als gediegenes Metallpulver in den Satz (entgegen der Theorie, gärt metallisches Kupfer in Verbindung mit Aluminium-Magnesium-Legierung, kaum oder gar nicht, wenn man dies zuvor mit Silikonöl "coatet"). Einziges Problem: das Kupfermonochloridradikal geht bei sehr hoher Temperatur wieder kaputt,
    was die Flammenfarbe zunichte macht, deshalb hier nur ganz wenig Aluminium-Magnesium in den Satz tun.

    Warum ist das so ? Hier gibt das Konzept des Herrn Pearson über "harte" und "weiche" Lewis-Säuren und Lewis-Basen Antwort. Prinzip: harte Lewis-Säuren bevorzugen harte Lewis-Basen, weiche Lewis-Säuren bevorzugen weiche Lewis-Basen (espart mir bitte, hier mit der Atom- und Ionentheorie zu erklären, was hart und weich nun eigentlich ist, mein e-mail würde ein Buch).
    hart: Magnesium-, Aluminium- und Calcium-Ionen = Lewis-Säuren
    weich: Barium- und Kupferionen
    mittel: Strontium

    hart: Oxyd = Lewis-Base
    weich: Chlorid

    Magnesium, Aluminium und Calcium reagieren vorzugsweise mit dem Sauerstoff,
    Barium und Kupfervorzugsweise mit dem Chlor; Strontium kann sich nicht so recht entscheiden (aus dem oben gesagten folgt aber, dass die rote Flamme trozdem gut wird). Im Grunde genommen einfach, wenn man nur mit Denk-Modellen arbeitet oder nicht ?
    Dieses Modell erklärt auch, warum es bis heute nicht möglich war, Lithium, das im Labor ein noch besserer Flammenfärber als Strontium ist, erfolgreich in pyrotechnische Sätze einzuarbeiten:
    Lithium-Ionen sind extrem "hart", noch schlimmer als Al oder Mg. Sie mögen Chlorid ganz und gar nicht, lieben nur Oxyd und Fluorid. Das enstehende Lithiumoxyd ist auch bei allerhöchsten Brenntemperaturen überhaupt nicht flüchtig und färbt daher die Flamme überhaupt nicht. Das Chlorid ist sehr flüchtig, färbt sehr gut, geht aber aus den dargelegten Gründen kaputt oder bildet sich erst gar nicht.

    Kurz zum Natrium: weil das Natrium als elementarer Matalldampf die Flamme färbt, ist man gut beraten, in der Flamme durch genügend Aluminium-Magnesium Sauerstoffmangel zu erzeugen, und falls kein Barium (zitrusfarbene Flamme) oder Strontium (orangefarbene Flamme) beigemischt ist, überhaupt kein PVC zu verwenden.

    Alles klar, Gipsbombe ?
    Grüsse aus Brasilien:

    Toivo::)
     
    1500mm Bombe, Darude, Pyro und 2 anderen gefällt das.
  11. Danke Toivo!
    Sind sehr interessant, Deine Ausführungen.:blintzel:
    In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, warum eigentlich Kaliumverbindungen nicht als Flammenfärber aufgeführt werden. Diese würden doch eine schöne rötlichviolette Farbe ergeben.???
    VG
    GB
     
  12. Die Flammenfärbung vom Kalium ist schwach und empfindlich - bei Chemikalien technischer Reinheit wird die meist schon z.B. durch Spuren an Natrium überdeckt.

    Bei einem Satz mit einem sehr farbneutral verbrennenden Brennstoff (wenige Kohlenstoffpartikel usw.) und einem sauberen Kaliumsalz als Oxidationsmittel kann man die typische Kaliumfarbe aber durchaus wahrnehmen.
     
  13. Was ist mit dem Kalium los ?

    Sehr geehrte Pyro-Freunde:

    Kalium, genau wie das Natrium, färbt die Flamme nur, wenn es als elemenarer Kalium-Dampf vorliegt und nicht als Ion (mit oder ohne Chlorid als "Ehe"-Partner). Bei recht niedrigen Flammentemperaturen ionisiert jedoch Kaliumdampf in eine Wolke aus Kalium-Kationen und freien Elektronen. Dann ist es aus mit der Flammenfärbung.

    Es gab in der Chlorat-und-Schwefel-Zeit ganz altmodische Sätze mit niedrigen Flammentemperaturen, die ein wirklich gutes Violett auf reiner Kalium-Basis zauberten. Bitte nicht ausprobieren ! Diese Sätze sind alle
    selbstentzündlich, sehr reib- und schlagempfindlich, wirkliche Mörder-Mischungen also.

    In Ländern der sogenannten Dritten Welt, wo auch heute noch Blitzsätze mit Kaliumchlorat und Schefel (unter Lebensgafahr) verarbeitet werden, kann man bei Nacht oft beobachten, dass diese nicht mit weissem, sondern violetten Licht in ihren Saluten (meistens Raketen, seltener Bomben) explodieren. Ich nehme an, dass hier das Kalium für die Flammenfarbe sorgt, indem es noch einmal Licht abstrahlt, bevor es durch Ionisierung sein Leben als ungeladenes Teilchen aushaucht.
    :joh:

    Mit freundlichen Grüssen:
    Toivo
     
  14. Die Ionisierungsenergien von Natrium und Kalium liegen allerdings nicht sooo weit auseinander:

    http://de.wikipedia.org/w/index.php...AtomicWeight.PNG&filetimestamp=20070927160729

    Wenn das also dazu führt, dass Kalium keine Flammenfärbung mehr hervorrufen kann, sollte man den gleichen Effekt nicht auch bei Natrium erwarten?
    In einer Gleichgewichtslage verschiedener Ionen kann ich durchaus nachvollziehen, dass das schneller ionisierte Kalium dazu führt, das schwerer zu ionisierende Element sogar noch mehr in die nicht-ionisierte Form zu drücken (s. z.B. Kosanke, B. J., Kosanke, K. L., The Chemistry of Colored Flame, in Pyrotechnic Chemistry, Chapter 9) und so z.B. die farbgebende Wirkung von Strontium zu verstärken mag.

    Aber in einem Satz, der nur auf einem Farbgeber (Natrium oder Kalium) basiert, würde es mich wundern, wenn bei Kalium die Ionisierung dazu führt, dass die Flamme gar nicht gefärbt wird, während bei Natrium die Flamme intensiv gefärbt ist.

    Die Temperaturen der Sätze dürften ja auch nicht ausreichen, um nahezu 100% Ionisierung zu erreichen...

    Ich würde den Grund vielmehr in den Emissionskoeffizienten sehen.

    Der Emissionskoeffizient von Natrium bei der Bande um die 590 nm ist um mehrere Größenordnungen über dem Emissionskoeffizienten von Kalium um die 405 nm und um die 770 nm - ich schätze um den Faktor 1000? (siehe z.B. (leider außer dem Abstract nicht frei zugänglich)

    http://scitation.aip.org/getabs/ser...00073000001012506000001&idtype=cvips&gifs=yes

    ("Theoretical study of sodium and potassium resonance lines pressure broadened by helium atoms", für K leider nur für die Banden um 770 nm angegeben, aber die bei 405 sind nicht viel intensiver...)

    Mit einfachen Worten - Natrium färbt einfach viel stärker als Kalium bzw. Kalium färbt zu schwach.

    Der Grund für die unterschiedliche Intensität der Emissionskoeffizienten dürfte sich aus den Übergangsdipolmomenten herleiten lassen, ein bisschen zu lesen gibts z.B. hier:

    http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=959138625&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=959138625.pdf
     
  15. Lieber IVHP !

    Sehr geehrter Pyro-Freund:

    Du hasst recht ! Wenn durch Ionisierung fast alles Alkalimetall nicht mehr als ungeladenes, zur Flammenfärbung geeignetes Teilchen vorliegt, bleibt, wie das Wörtchen "fast" ja schon sagt, ein kleines Restchen. Da sorgt das Natrium mit seiner bedeutend höheren Emission für eine Rettung der Flammenfarbe.
    Aber man darf nicht vergessen, dass Natrium eine signifikant höhere Ionisierungsenergie hat, als das Kalium. Beim Natrium ist also das besagte Restchen wesentlich mehr, was zusätzlich die Flammenfarbe verbessert.
    Schliesslich: Ionen können wieder mit den freien Elektronen zu Atomen rekombinieren, die dann, kaum dass sie sich gebildet haben erneut strahlen. Das führt dann zu verschobenen, merkwürdigen Emissionsspektren. Beim Natrium macht das nichts. Es hat nur eine Emissionslinie, die bekannte "D". Bei Hochtemperatursätzen beobachtet man die "D"-Linie "selsbtreziprok", das heisst Lichtemission gleich Null. Aber gleich daneben, auf beiden Seiten, beobachtet man superbreite, gelbstrahlende Banden. Für das Auge bleibt der Fabeindruck, nämlich gelb gleich. Man merkt aber, dass die Farbsättigung deutlich nachgelassen hat. Ausser, dass das Kalium weniger Licht abstrahlt, hat es auch hier das Nachsehen, weil seine Lichtemission eine aus mehreren Spektrallinien zusammengesetzte Mischfarbe ist. Bei ähnlichen Rekombinationen ist das Ergebnis eher rosa oder gar weiss als violett.
    Aber ist unsere Diskussion im "elfenbeinernen Turm" nicht eher langweilig für die anderen Pyros ?
    Habe ich nicht recht mit meiner Anfangsthese, dass es für den Feuerwerker praktischer ist, mit einfachen (vereinfachten) Denkmodellen zu arbeiten ? Sonst kriegt man vor lauter Theorie "einen an der Kirsche".

    Grüsse aus Brasilien:
    Toivo;)
     
    Gipsbombe gefällt das.
  16. Die Diskussion mag ja für den Großteil der User hier auf einem zu hohen, abgehobenen Niveau stattfinden - aber das sollte doch kein Grund sein auf solche Gespräche und Themen zu verzichten! Ich finde, gerade weil hier auf wissenschaftlichem Niveau diskutiert wird ist das Thema eine ziemlich Bereicherung für das Forum :) Das man sich tief und ernsthaft mit der chemischen und physikalischen Theorie hinter Feuerwerk beschäftigt (ohne sofort das Basteln im Hintergrund zu haben) kommt in fast allen Foren und Communities eh zu kurz...
     
    Sierra, Gipsbombe und Pyro gefällt das.
  17. Bitte genauso weitermachen - es gibt durchaus sehr interessierte Mitleser!
    (dieser inhaltslose Kommentar löscht sich bald von selbst)
     
  18. Kleine Anmerkung als total unwissender Nullomane,
    diese unterschiedliche Emission-fähigkeit eines Atoms (Natrium gegenüber Kalium) liegt eventuell an den extrem unterschiedlich großen Atom - Radien des Natrium, bzw. Kalium-Atom??
     
  19. Nein, ganz und gar nicht. Neben diverser, seltener Fachliteratur sind solche (leider viel zu seltenen) Diskussionen eine wirkliche Bereicherung für einen (auch) an den chemischen und physikalischen Zusammenhängen interessierten Menschen wie z.B. mich :)

    Vielen Dank dafür... und bitte weitermachen!

    Beste Grüße
    Thomas
     
  20. Lieber Feund Gipsbombe:

    Der grosse Atomdurchmesser erklärt sicherlich die leichte Ionisierbarkeit des Kaliums:
    äussere Elektronen, die weiter vom Kern entfernt sind als in anderen ähnlichen, kleineren Atomen, erfahren deshalb (abstandsbedingt) eine geringere elektrostatische Anziehung. Die höhere Kernladung macht beim Kalium diesen Effekt nicht wett (bitte in der Fachliteratur nachlesen).
    Deshalb lässt sich dann dieses Elektron leichter abspalten.

    Die Stärke/Schwäche einer Emissions-Bande hat aber ausserdem mit anderen Einflüssen zu tun:
    Zahl derBanden (Kalium hat mehrere), Wellenlänge (einige des Kaliums sind kurzwellig),quantenmechanische Übergangswahrscheinlichkeiten. Ich gebe zu, dass meine Quantenmechanik zur Zeit etwas eingerostet ist und bitte hiermit alle Quantenphysikfans, hier an meiner Stelle Gipsbombe eine detalliertere Erklärung zu geben.

    Grüsse aus Brasilien:
    Toivo
     
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