Handhabung & Technik Farbwechselnde Funken

Dieses Thema im Forum "Professionelle Technik, Sicherheit, Handhabung" wurde erstellt von ivhp, 8. Februar 2019.

  1. #1 ivhp, 8. Februar 2019
    Zuletzt bearbeitet: 8. Februar 2019
    Hallo Zusammen,

    der ein oder andere erinnert sich sicherlich noch an unsere Diskussionen zu farbigen Funken. Leider leider komme ich / wir nur noch sehr sehr selten zu solchen Versuchen. Da wir - mit fleissiger messtechnischer Unterstützung vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut - jedoch „zwischendurch“ die Gelegenheit hatten, einen ersten Teilbereich dieses Themas für uns zu Ende zu bringen und dabei über eine recht faszinierende Entdeckung gestolpert sind, die gerade publiziert wurde, wollte ich hier ein Update hinterlassen.

    Das generelle Problem, dass ein Funke (im Sinne der Definition als glühendes Partikel in der Zusammensetzung und Größe des Ausgangsmaterials, also z.B. Kohle-, Eisen-, Aluminiumpulverpulver usw.) keine anderen Farben als die der Schwarzkörperstrahlung annehmen kann, ist lange bekannt (s. Shimizu FAST und viele weitere). Dies steht in absolutem Gegensatz zu einer Flamme, die durch passende Farbgeber nahezu jede Farbe annehmen kann. Als „Hilfsmittel“ für farbige funkenähnliche Gebilde existieren Mikrosterne oder auch Sätze, die brennende Tröpfchen (droplets) ausstoßen deren Flamme dann farbig erscheinen kann. Diese Hilfsmittel entsprechend jedoch nicht der Definition eines Funken (aus theoretischer Sicht) und aus praktischer Sicht sind sie deutlich größer (vgl. z.B. die schönen bunten NC-Sterne der Laser mit dem feinsten Funkenflug einer Wunderkerze oder eines Kohlefeuers.

    Um über die möglichen Farben rot-orange-gelb-weiss hinaus aus der Schwarzkörperstrahlung auszubrechen wurden schon frühzeitig theoretische Möglichkeiten angesprochen, hervorzuheben von B.T Sturman (JPyro, Issue 9, 1999, pp57-61) die seltenen Erdmetalle wie Europium für pink und Ytterbium für grün. Die Geheimnisse dahinter sind (a) ein Siedepunkt des Metalls und des Metalloxids, der eine Verbrennung in der Gasphase erzwingt (weshalb dann als aus der Gasphase und nicht vom festen Partikel Licht emittiert wird) und (b) die generelle Bildung einer farbig emittierenden Spezies in der Flamme. Das typische „Gegenbeispiel“ ist Magnesium, welches zwar in der Gasphase abbrennt, aber strahlend weisses Licht ausstrahlt.
    Es dauerte bis 2011 bis von E.C. Koch (JPyro, Issue 31, 2012, pp3-9 und z.B. Consideration of some 4f-metals as new flare fuels - europium, samarium, thulium and ytterbium, International Annual Conference of ICT, 42; 1/1-1/11) tatsächlich praktisch Crackling-Mischungen auf Basis von Ytterbium und PTFE demonstriert wurden, die farbig crackeln und pinke oder grüne Funken ausstoßen. Diese Funken haben das gleiche Problem wie die hier schon früher (2008) diskutierten blauen Funken auf Basis von Tellur: Der niedrige Siedepunkt der Metalle führt zwar zu farbigen Funken, aber gleichzeitig zu einem sehr schnellen Abbrand. Damit wird der feine Funke zu einem breiten kurzen verpuffenden Strich.
    In diesem Zusammenhang haben wir auch den von Vesuvio gewünschten „Tellurstern“, eine „Traumstern“-Fontäne mit Tellurfunken, hergestellt, der enttäuschenderweise das zu erwartende zeigt: Die Funken schaffen es kaum aus der Hülse und im wesentlichen sieht man eine rauchige Flamme, da die Partikel zu schnell verbrennen.

    Bei einem Streifzug durch das Periodensystem hinsichtlich aller physikalisch/chemischer Parameter auf der Suche nach einem Metall, welches farbige, aber möglichst lange Funken erzeugen sollte, blieb aus theoretischer Sicht nur ein einziges übrig: Erbium. Überraschenderweise wurde dieses noch nicht untersucht. Bereits der erste Versuch mit Erbiumpulver hat uns ziemlich fasziniert:

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    Klar zu erkennen beim Eintrag von Erbiumpulver in eine Gasflamme sind lange brennende Funken, welche sogar am Ende zerplatzen (branching) und außerdem zweimal ihre Farbe wechseln. Die erste und dritte Phase ist dabei das typische orange der Schwarzkörperpartikel. Die mittlere Phase ist äußerst lichtintensiv und grell grün. Damit liefert Erbium tatsächlich nicht nur lange farbige Funken, sondern sogar zweifach farbwechselnde Funken. Im Prinzip lassen sich damit farbwechselnde Sterne bekannt aus dem Großfeuerwerksbereich in miniaturisierter Form darstellen. Die einzelnen Phasen konnten mit zeitaufgelöster Emissionsspektroskopie eindeutig als Schwarzkörperstrahlung bzw. Gasphasen-Verbrennung identifiziert, ihre Abbrandtemperatur bestimmt werden usw.

    Praktisch erklärbar ist das ganze im Nachhinein sehr einfach: Die Suche nach einem Metall, welches zwar in der Gasphase abbrennt, aber eben nicht zu schnell, hat genau in den Grenzbereich geführt, bei dem das Partikelchen sich mit Oberflächenverbrennung (noch zu kalt, orange Schwarzkörperstrahlung) und Gasphasenverbrennung (über dem Siedepunkt des Metalls, elementspezifische Emission) abwechselt.

    Hervorzuheben ist die Ungiftikeit der seltenen Erden wie Erbium, die man grob mit Aluminium vergleichen kann. Ebenso ist die Stabilität von Erbium erstaunlich hoch und grob mit Magnesium vergleichbar.

    Dementsprechend konnten wir direkt auch eine rauchlose Fontäne auf Basis von Nitrocellulose (NC) und Ammoniumperchlorat (AP) mit Erbiumpulver geeigneter Partikelgröße herstellen, die farbwechselnde Funken mit grellgrünen Blitzen ausstößt.

    Im Rahmen der Untersuchung aller möglichen Materialien haben wir auch einen „Diamantstern“, d.h. eine Traumstern-Mischung mit (technischem) Diamantpulver hergestellt:

    [​IMG]
    Die Funken sind ganz hübsch, von der Farbe entsprechen sie Kohlefunken, aber mit einem ganz anderen „Flugbild“, was sich leicht mit der höheren Dichte erklären lässt.

    Wer an den Details dazu Interesse hat: Hier geht’s zur Publikation (die es direkt auf das Deckblatt geschafft hat) mit vielen hochaufgelösten fotographischen Aufnahmen, Spektren und der ganzen Theorie dazu. Im freien Zusatzmaterial (unten auf der Webseite) ist auch ein kurzes (sehr niedrig aufgelöstes) Slow-Motion Video der farbwechselnden Erbiumfunken verfügbar. Das Paper selber ist nicht frei verfügbar – leider ist das Publikationswesen in der akademischen Welt nicht ganz einfach. Es sollte jedoch aus jeder Universitätsbibliothek kostenfrei abrufbar sein.
    Bei Rückfragen könnt ihr euch gerne direkt an mich bzw. Felix ([email protected]) wenden.

    Insgesamt haben wir damit eine Art „Halbzeit“ erreicht. Auf der einen Seite ist die Theorie zu farbigen Funken „abgegrast“ und die farbwechselnden Erbiumfunken sind echt schick. Auf der anderen Seite ist es für eine praktische Anwendung natürlich noch ein weiter Weg (Phlegmatisierung? Ausgedehnte Stabilitätsuntersuchungen, Optimierung der Partikelgrößen usw., von Zulassungen ganz zu schweigen) bis es tatsächlich grün blitzende Wunderkerzen zu kaufen geben könnte. Das werden wir wohl eher nicht angehen – auch aus theoretischer Sicht eröffnet sich jedoch nun eigentlich erst ein neues Feld. Kann bei passender Partikelgröße noch ein anderes farbwechselnde Funken erzeugendes Metall gefunden werden (vermutlich zumindest eines, ja) und vor allem, wie sieht es mit Legierungen aus? Europium/Eisen, Samarium/Eisen usw. schreien geradezu danach, dass sie als glühendes Partikel mit intensiv gefärbter Gashülle abbrennen, wobei sich die Abbrandgeschwindigkeit (damit Funkenlänge) über den Anteil an Eisen steuern lassen sollte. Das ist aber noch ein (sehr) langer Weg...

    Viele Grüße!

    ivhp
     
    FW-Freak 74, Darnoc, gecko und 17 anderen gefällt das.
  2. Mal mit Bariumtitanat probieren ;)
     
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