Termin | News Feuerwerksverbot ohne Abwägung ermessensfehlerhaft

Dieses Thema im Forum "Termine, Neuigkeiten" wurde erstellt von RA Wübbe, 3. Juni 2016.

  1. Liebe Pyros,

    es geht Schlag auf Schlag:

    Ich darf Ihnen die nächste aktuelle Gerichtsentscheidung vorstellen, bei der ein Verwaltungsgericht (hier Darmstadt) ein Feuerwerksverbot für unwirksam erklärt hat.

    Die Entscheidung hat ein Kollege erstritten, der freundlicherweise der anonymisierten Veröffentlichung zugestimmt hat.

    Auch hier mußte das Gericht einer Kommune (diesmal in Hessen) erklären, daß man den Naturschutz nicht einfach aufgrund des Polizeirechts "an sich ziehen kann":

    Vielmehr legt § 3 Abs. 1 Satz 2 HSOG ausdrücklich fest, dass besondere Regelungen über die Wahrnehmung von Aufgaben nach Bundes- oder Landesrecht dem HSOG vorgehen. Würde man die Generalklausel des § 11 HSOG anders auslegen, so würde sie den Gefahrenabwehrbehörden letztlich jegliche "Aufgabenaneignung" ermöglichen.

    Zudem hat die Behörde auch - unabhängig davon, daß sie für den Naturschutz gar nicht zuständig war - rein ger nichts dafür dargelegt, welche Tiere hier wie beunruhigt werden könnten:

    Sie hat vielmehr die Störungen für die Vögel und andere, insbesondere Jungtiere lediglich von sich aus behauptet, ohne jedoch - soweit aus den übersandten Akten ersichtlich - den vorherigen fachlichen Rat der Naturschutzbehörde oder der Tierschutzbehörde einzuholen. Insofern bleibt völlig offen, ob, in welchem Maße und welche Tiere im Einzelnen durch das Abbrennen des Feuerwerks im Brutgeschäft, bei der Aufzucht ihrer Jungen oder in sonstiger Weise aufgeschreckt werden könnten. Selbst wenn man die polizeiliche Generalklausel als zuständigkeitsbegründend ansähe, könnte das erlassene Verbot daher keinen Bestand haben, weil die zu verhindernden Gefahren nicht hinreichend konkretisiert sind.

    Schließlich und endlich, erteilt das Gericht - gleichsam in einem juristischen Lehrstück - der Kommune eine klare Absage, was eine Untersagung eines Feuerwerks angeht, denn dies ist nur das allerletzte Mittel, wenn sonst keinerlei Maßnahmen denkbar sind. Andere Möglichkeiten hatte die Gemeinde jedoch gar nicht in Betracht gezogen, sondern direkt (und damit rechtswidrig) die Untersagung ausgesprochen:

    Schließlich fehlt es in der angefochtenen Verfügung auch an jeglicher Ermessensausübung, ob und in welchem Umfang das ergangene Verbot - selbst wenn es auf § 11 HSOG gestützt werden könnte - auch tatsächlich erlassen werden soll. Denn die Behörden "können" die erforderlichen Maßnahmen treffen und entscheiden gemäß § 5 Abs. 1 HSOG nach pflichtgemäßem Ermessen, unter strikter Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 4 HSOG). Eine Abwägung mit den gewerblichen Interessen des Antragstellers oder der ihn beauftragenden Veranstalter an der Verschönerung ihres Festes durch Feuerwerk findet jedoch in der Verfügung nicht statt; ebenso wenig wie die Auseinandersetzung mit der Frage, ob es andere, weniger einschneidende Maßnahmen gibt (z.B. die Einhaltung eines größeren Abstandes zum Schutzgebiet), die ebenfalls das Aufschrecken der dort vorhandenen Jungtiere vermeiden oder ihnen jedenfalls nicht mehr schaden als die ohnehin auf dem Gelände stattfindenden Feierlichkeiten. Die Verfügung wäre also auch wegen kompletten Ermessensausfalls aufzuheben (vgl. § 114 VwGO).

    Fazit:

    1. Feuerwerksuntersagungen über das allgemeine Polizeirecht sind nicht möglich.
    Dies gilt erst Recht, wenn als Begründung der Naturschutz herangezogen wird.

    2. Wenn man den Naturschutz näher betrachten wollte, müßten konkrete Schutzgüter benannt werden, der allgemeine Rückgriff auf "zu beunruhigende Tiere" ohne jede Konkretisierung reicht in keinem Fall für eine Begründung.

    3. Die zuständige Behörde kann eine Untersagung (nach SprengG) nur dann vornehmen, wenn keinerlei mildere Mittel zu Gebote stehen, einen legalen Zweck zu erreichen (m.E. daher nicht Naturschutz).

    Dabei muß sie nicht nur das Recht des Pyrotechnikers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berücksichtigen, sondern auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Auftraggebers, in welche sie mit der Untersagung final eingreift. Tut sie dies nicht, stellt sich eine Untersagungsverfügung aufgrund dieses Ermessensausfalls als offensichtlich rechtswidrig dar.

    Einmal mehr bestätigt sich, daß es sich m.E. sehr wohl lohnen kann, seine Rechte auch juristisch zu erstreiten.
     

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