Handhabung & Technik Gezieltes Design von Funken (Farbe und Zerplatzen)

Dieses Thema im Forum "Professionelle Technik, Sicherheit, Handhabung" wurde erstellt von ivhp, 2. August 2022.

  1. Hallo Zusammen,

    es ist eine ganze Weile her, dass wir etwas zu "farbigen Funken", d.h. der Möglichkeit einen Funken (im engeren Sinne eines glühenden Partikels) andere Farben als das typische rotgold/gelbgold/silberweiss geben zu können, geschrieben haben. Wer sich noch daran erinnert, hier und dadrin verlinkt gibt es die Vorgeschichte. Wer interessiert ist, kann auch gerne unsere deutschsprachige populärwissenschaftliche Veröffentlichung (hängt als PDF an, Rechte zum hochladen liegen natürlich vor) dazu lesen. Das Kernproblem ist, dass ein glühendes Partikelchen immer ein schwarzer Strahler ist und damit nur Schwarzkörperstrahlung in den o.g. Farben ausstrahlen kann. Man benötigt Metalle, die in der Gasphase verbrennen und farbige Emissionsbanden haben, um daraus auszubrechen. Leider verdampfen die wenigen Metalle, die das tun, dann so rasch, dass es nur blitzt und nicht nach einem Funkenregen aussieht. Mit etwas Glück und gezielter Suche anhand der physikalischen Parameter waren wir über Erbium gestolpert, welches eine deutliche grüne Funkenphase aufweist, aber praktisch nutzbar war das noch nicht ohne weiteres.

    Wie das immer so ist, ist die erste Entdeckung spannend und alles ist neu und geht schnell voran und dann folgt die langwierige Arbeit. Daher gab's nach der letzten Veröffentlichung über weitere Kandidaten neben Erbium jetzt fast 2 Jahre Pause, da wir uns wohl oder übel an Legierungen gemacht haben, um das Abbrandverhalten gezielt einzustellen.

    Interessanterweise wurden diese Legierungen aus seltenen Erden bereits 1999 zur Bildung farbiger Funken vorhergesagt - gemacht hat es bisher nur niemand. Die Versuche waren in soweit langwierig, da (unser fleißiger Erstautor Philipp) zuerst (in einer sog. Handschuhbox, mit den Armen bis zu den Schultern in dicken Gummihandschuhen um in eine Schutzgasatmospäre zu greifen) die gewünschten Metalle mit einer Diamantfeile unter Luftausschluss fein geraspelt hat, um sie dann in Ampullen (wegen des hohen Schmelzpunktes aus Quarzglas) umzufüllen, diese dann (mit einem Knallgasbrenner, eben wegen des hohen Schmelzpunktes) unter Vakuum zu verschließen und anschließend einen Tag bei 1100 °C aufzuschmelzen. Nach dem Abkühlen folgt der deprimierende Part, dass man die eben fein geraspelten Pulver nach dem Schmelzen nun schon wieder raspeln muss. Lange Rede, kurzer Sinn: kombiniert man niedrig siedende, farbig verbrennende Metalle (wie Ytterbium, Yb) mit hochsiedenden (z.B. Kupfer, Cu) zu einer Legierung, folgen daraus stabile Metallpulver, die lang anhaltende in diesem Fall quietschgrüne Funken bilden (umgeben von einer großen Anzahl goldender Funken, wenn der Funke noch nicht heiss genug ist um das Ytterbium zu verdampfen).

    Um das ganze vernünftig zu untersuchen, haben wir im Flug Emissionsspektren der Funken gemessen, die brennenden Partikelchen abgeschreckt und elektronenmikroskopisch hinsichtlich ihrer Elementzusammensetzung untersucht (der Anteil an niedrig siedendem Metall nimmt ab) usw. Die elektronenmikroskopsichen Bilder der "ehemaligen Funken" sehen übrigens echt hübsch aus:

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    Wer Interesse daran hat, die englischsprachige Publikation mit allen Details hängt zum Lesen (PDF) gerne an.

    Zu guter Letzt haben wir die Metallpulver auch einer Ammoniumperchlorat/Nitrocellulose (ca. 80/20) Mischung als rauchloses Treibmittel beigemischt und daraus Zimmerfontänen hergestellt. Ein Blick auf die "Traumsterne" mit Yb-Cu-Legierung:

    [​IMG]

    Da finden sich kontinuierlich tiefgrüne Funken, die ausgestoßen werden.

    Eher theoretisch interessant, aber in den Kontext passend, lassen sich dann auch andere Elemente kombinieren, wenn man erstmal weiss, worauf es ankommt. Ein Beispiel ist die Legierung aus Lithium und Silicium um Funken mit dunkelroten (Lithium) Spitzen herzustellen:


    [​IMG]

    Interessanterweise hat sich herausgestellt, dass wir neben der Farbe auch das "Zerplatzen" (Branching) der Funken einstellen können. Damit gibt es Legierungen, die über fast hundert Millisekunden lang einen einzelnen Funken wieder und wieder zerspratzeln lassen. Das sieht echt schick aus, ein kurzes Video zeigt mehr als hundert Worte (o.g. Treibmittel mit Funken aus einer Neodym-Eisen-Legierung):
    Das dabei ursprünglich noch gar nicht gezielt verfolgte, aber durchaus relevante Nebenergebnis ist, dass die Legierungen auch stabiler als die Reinmetalle sind. Zum Beispiel ist das o.g. Yb-Cu wochenlang an feuchter Luft ohne Zerfallserscheinungen lagerbar, das Neodym-Eisen ist vergleichbar zu (unstabilisiertem) reinem Eisen.
    Da die Metalle auch in der Literatur recht gründlich hinsichtlich ihrer Ungiftigkeit untersucht worden sind und es positiv verlaufene Untersuchungen ähnlicher Legierungen hinsichtlich relevanter Parameter wie Schlagempfindlichkeit usw. gibt ist der Schritt zu realistischen pyrotechnischen Produkten (z.B. endlos zerspratzelnde Wunderkerzen, buntes Crackling, Jets mit grünen Funken) tatsächlich nicht mehr so weit und statt Grundlagenforschung denken wir in den nächsten zwei Jahren schon an Phlegmatisierungsmittel und komplexere pyrotechnische Sätze.

    Viele Grüße,

    ivhp
     

    Anhänge:

    Mathau, marcbreu, wickinger und 20 anderen gefällt das.
  2. Durch die Nitrocellulose und Traumsterne gerade daran erinnert, hier etwas Werbung in eigener Sache für unsere Funkenversuche: Die American Chemical Society (ACS) hat ein (wie ich finde ziemlich schickes) Erklärvideo (in Englisch) über die Ergebnisse produziert.

    Darin ist ab 1:50 auch die bestechend einfache Herstellung eines unserer Traumsterne mit Seltenerdmetallen (im Labor, kein Verkaufsprodukt) zu sehen (die dank schlichtem Mischen der Komponenten nur ein paar Sekunden dauert):

     
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