Historie "schnarchende Zeuge"

Dieses Thema im Forum "Museum, Firmen, Historie" wurde erstellt von Pyromartin, 4. Juni 2021.

  1. Hallo @Pyro und andere digital versierte Kollegen,
    auf der Internet Suche nach der preußischen "Pulverfabrik Stein" konnte ich nichts finden außer einer ausländischen Google Buchseite in einer Sprache die ich nicht verstehe. ich traue mich nicht einfach irgend etwas anzuklicken. Kann einer der digital versierten Kollegen mir bitte dieses kleine Büchlein, mit dem Titel "Die k.k. Pulverfabrik zu Stein in Krain", 1871, herunter laden und mir dann übermitteln. Danke schon im Voraus.
     
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  3. Ja @Pyro, das ist das Buch. Ich hatte zwar nach der preußischen Pulverfabrik Stein gesucht und wußte noch gar nicht das es in Östereich auch einen Ort Stein mit Pulverfabrik gab. Herzlichen Dank für die Übermittlung dieses Büchleins.
     
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  4. Es ist einfach Faszinierend über die Geschichte, dieser wunderbaren Kunst zu Lesen.
     
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  5. #30 Pyromartin, 13. Juni 2021
    Zuletzt bearbeitet: 13. Juni 2021
    Hallo @Pyro,
    ich bin absolut begeistert über dieses kleine Büchlein. Seit Jahren suche ich nach Literatur über "Walzenpressen"(Laminoir-FR), ein kontinuierliches Pressverfahren das in Preußen benutzt wurde. Ich habe schon viele Schwarzpulver Herstellungsverfahren auf der ganzen Welt gesehen, aber noch nie eine Walzenpresse. Obwohl dieses Büchlein nicht über die preussische Pulverfabrik Stein berichtet, sondern über eine Östereichische, ist es genau das wonach ich seit Jahren suche. Dieses Herstellungsverfahren ist der höchste Stand der Technik den das Schwarzpulver bis heute erreicht hat. Unser heutiges Pulver ist sogar von etwas schlechterer Qualität außer vielleicht dem Schweizer. Die handwerklich, wissenschaftliche Präzision in der Herstellung ist das Beste was ich bisher gelesen habe. Da kommt kein Werk auf der Welt mit. Viele Einzelheiten die hier beschrieben sind, sind in den letzten 150 Jahren einfach vergessen worden. Das Wasser. Hier Brunnenwasser mit ganz geringem Kalzium Gehalt, das dann, in mehreren Schritten aufwendig auskristallisiert wird. Goex hat da große Probleme in seinem Werk gehabt. Destilliertes Wasse war zu teuer, so hat man Trinkwasser aus der Nachbarstadt für alle Zwecke bezogen. Dies war gutes Trinkwasser mit sehr geringem Kalziumgehalt. Für Trockenperioden hatte die Stadt eine Ordinanz erlassen, das Trinkwasser nicht für Industriezwecke benutzt werden durfte. Da stellte Goex dann auf Brunnenwasser um. Dieses Brunnenwasser war durch alte, abgesoffenen Kohlebergwerke und Überschwemmungen (Pennsylvania) mit sehr eisenhaltigem Wasser verseucht. Bei der teuersten Qualität von Schwarzpulver (Zünderpulver) wurden bis zu 50%ige Abweichungen in der Abbrandgeschwindigkeit ermittelt. Die im Buch beschriebene Herstellung von Pulverkohle erzielte eine Qualität die heute nicht mehr in Mengen käuflich ist. Dieses kleine Büchlein ist das Beste was es über Schwarzpulverfertigung gibt. Klasse ! Außerdem enthält dieser Google Scan die Tafeln, die weltweit bei ALLEN Google-Scans fehlen. Man sieht das die Tafeln später eingearbeitet wurden. Man sieht das an der Farbe. Scheinbar haben die Östereicher die im Google-Scan fehlenden Tafeln manuell nachgearbeitet und Google hat sich die dann kopiert. Das 1.Mal das ich dies sehe. Nochmals ganz herzlichen Dank für die Übermittlung dieses wunderschönen Werkes.
    Anbei mal eine andere Ansicht einer "Walzenpresse". LAMINOIR-Preußische Walzenpulverpresse.PNG
     
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  6. @Pyromartin
    Wir haben sehr zu danken - für Deine Vorrecherche und den Titel des Buches! Das hat dann sehr schnell zu dem Scan geführt.

    Erzähle uns gerne mehr daraus, denn selbst wenn ich es aktiv lesen würde, hätte ich nicht Dein Hintergrundwissen.
    Deine Ausführungen sind überaus interessant.
     
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  7. Ich weiß nicht ob es hier im Forum noch "Schwarzpulverfetischisten" gibt. Schwarzpulver ist nicht gleich Schwarzpulver, es gibt 100te von Sorten. In der 2000er Preisliste hatte WANO/Kunigunde 28 zivile von 930,-DM bis 1230,-DM / 100kg und 17 militärische (Y-Pulver) von 1460,-bis 2900,-DM/ 100kg im Angebot. Das Y 5900 mit einer Körnung von 0,09- 0,5mm ist das teuerste. Es sieht aus wie Mehl, ist aber extrem feines Korn. Ich glaube das dies Zünderpulver ist, mit dem GOEX in den USA solche Schwierigkeiten hatte. An dieses Schwarzpulver werden extrem hohe Anforderungen gestellt. Es darf sich bei mehrjähriger Lagerung nur um ein paar % verändern. Beim Abbruch eines alten Schwarzpulverwerkes von ICI in Australien wurden Laborunterlagen gefunden aus denen hervorging, das zum anfeuchten bei der Herstellung von Zünderpulver nur destilliertes Wasser benutzt werden darf. Bei der Benutzung von anderem Wasser können die notwendigen Werte nicht erreicht werden.
    Als GOEX das alte Belin Werk in Pennsylvania dicht machte und ein neues Werk in Minden-Lousiana aufbaute wurden ein großer Teil der Belin Werksausstattung dorthin gebracht. Aber die großen 8 Tonnen Laufräder des Kollergangs wurden nicht mitgenommen. Stattdessen kaufte man 5 tonnen Krupp Laufräder für den Kollergang von einer geschlossenen Pulvermühle in Südafrika. Ende der 90er Jahre hat der Hersteller Krupp die Fertigung endgültig eingestellt. Die Preise für gebrauchte Kollergang-Räder ist seitdem weltweit extrem gestiegen. Ich möchte mal gerne wissen was Kunigunde macht wenn eines ihrer Räder den Geist aufgibt.
     
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  8. Es gibt in Polen eine Maschinenbaufirma, die Technik für die Pulverfertigung liefert ;)

    EMRON Machinery
     
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  9. Aber keine Walzenpressen @Hanabi. Davon habe ich noch nie ein original irgendwo auf der Welt gesehen. Die dort angebotenen Kollergänge sehen auch viel kleiner aus, eher so groß wie die italienischen. Die Räderwalzen werden wohl nicht mit dem Krupp Kollergang kompatibel sein.
     
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  10. Ich meine, in Aubonne haben sie Walzenpressen, vermeintlich auch in der Pulvermühle in Frankreich, da war ich aber noch nie.

    Wir hatten bis vor ein paar Jahren mal ein paar Kartons Pulver aus Italien bezogen, Polverificio Di Renzo, das war noch eine Stampfmühle. Leider inzwischen, wegen typisch-italienischen Familienstreitigkeiten, geschlossen
     
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  11. #36 chr, 13. Juni 2021
    Zuletzt bearbeitet: 13. Juni 2021
    Ja, hier! :bye:
    Nur mein Wissen ist vielleicht ein Promille Deines Wissens.
    Daher bin ich hier der eher stille, aber "freudig" konsumierende Mitleser!

    Daher bleibt mir nur folgendes:
    Danke, dass Du das Forums mit Deinem Wissen bereicherst. :good:
     

  12. Da bin ich ganz Deiner Meinung .... :good: Absolut Klasse, mal etwas anderes. Bombig.
     
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  13. Vor ein par Jahren, als ich das Werk in Kunigunde besichtigen durfte, hätte ich danach auch noch in die Schweiz, zur Besichtigung des Werkes dort, reisen können. Der Aufwand (Flug, Hotel, Leihwagen) war mir dann aber zu groß (Jetzt denke ich, das ich es doch hätte machen sollen). Leider habe ich keinerlei Info über die Verfahrensweisen in der Schweiz und in Frankreich. Aber, alle großen kommerziellen Produzenten(England, Dänemark, indien, USA) nutzten das "Stapelblech-Pressverfahren" wie auch in Kunigunde. Vor ein paar Tagen habe ich eine Bücherlieferung aus der Schweiz erhalten. Ein Titel ist "Das Schwarzpulver" Die Produktion in der Pulvermühle Steffisburg 1586-1864. Mal sehen was dort geschrieben steht. Es ist aber mehr eine historische Abhandlung.
     
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  15. Ein wirklich schönes Filmchen, da geht mir das Herz auf, dass es so etwas heute noch gibt. Das ganze Thema an sich ist hoch interessant, danke für die schönen Einblicke auch @Pyromartin
     
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  16. Herzlichen Dank @Hanabi für diesen schönen Film. Ja, es ist eine "Laminoir". Zum 1.Mal in meinem Leben sehe ich solch eine Presse in Aktion. Da hätte ich dem Werkmeister dort gar nicht schreiben müssen, was ich aber schon gemacht hatte. Trotzdem bin ich erstaunt über die Arbeitsweise dort und das sehr gute Ergebnis. Der Werkmeister in Kunigunde meinte das es nur die Kohle sei die deren Produkt noch besser und teurer machten. Das Schweizer Pulver hat ja bei Schwarzpulver-Schützen weltweit einen sehr, sehr guten Namen. Das dort mit so kleinen Chargen, wie im Film, gearbeitet wird kann ich gar nicht glauben. Auch die Beschickung des Kollergangs mit den ungemischten Zutaten wundert mich. Wenn man das vergleicht mit der ungemein geenaueren und aufwändigeren Arbeitsweise 1870 (wie im Buch oben erklärt) dann muß das östereichische Pulver noch besser gewesen sein. Das in Frankreich noch ein Schwarzpulver Produzent existiert, wußte ich auch nicht. Deren Produkt ist mir noch nie in die Hände gekommen.
     
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  18. #43 Pyromartin, 14. Juni 2021
    Zuletzt bearbeitet: 14. Juni 2021
    Stein im Krain = Kamnik
    Der Kreis schließt sich. Das in deutsch Stein in Krain benannte Gebiet scheint heutzutage das slowenische Kamnik zu sein. Das Kamnik, dessen Schwarzpulver viele Jahre lang in allen deutschen pyrotechnischen Werken tonnenweise verarbeitet wurde, bis die Firma pleite ging, die sehr alte Pulvermühle Stein im Krain ist, finde ich schon sehr aufschlußreich. Meine Schwarzpulvermaaße sind auf Kamnik Pulver geeicht. So lernt man nebenbei mehr über unsere Geschichte.
    Das Aubonne Werk in der Schweiz sollte 1994 schon geschlossen werden. Damals produzierten 6 Mitarbeiter 65 Tonnen pro Jahr. Davon hat die Schweizer Armee nur noch 2-3 tonnen gebraucht, Tendenz abnehmend. Nur durch den Kauf durch einen "Liebhaber" konnte das Werk gerettet werden
    Noch eine bemerkung über die Körnung des damaligen (1870) Schwarzpulvers. Die Pulvermühle Stein im Krain stellte hauptsächlich 2 Körnungen her. Geschützpulver von etwa 12mm und Gewehrpulver von etwa 6,8mm. das Gewehrpulver kommt mir sehr grob vor, verglichen mit unserem heutigen. Aber, mit den alten Vorderladern vor 1870 könnte das das richtige sein.
     
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  19. Die "Kaiserlich königliche Pulverfabrik zu Stein in Krain"(später Kamnik) war eine nach modernsten Gesichtspunkten (1860) angelegte, großflächige Fabrik, Dort areiteten etwa 100 Personen. Für die Reinigung des Rohsalpeters 11, Vorbereitung des Schwefels 3, Holzkohleherstellung 7, Mahlen 5, Mischen 8, Pressen 13, Körnen 5, Trocknen 8, Sieben 7, Polieren 5 . Dies waren alles zivil Arbeiter. 30 wohnten in einer Kaserne auf dem Gelände. Plus noch verschiedene Militärs in einer mil. Kaserne (mit Schwimmbad). Die Pulvermühle produzierte etwa 65 Zentner Pulver an einem 10 Stunden Arbeitstag. Diesen Aufwand kann heutzutage niemand mehr bezahlen. Es rechnet sich einfach nicht. Das Aubonne Werk in der Schweiz sollte geschlossen werden, da der notwendige Renovierungsaufwand zum Erhalt der Gebäude und Geräte viel zu hoch war. Ein Privatmann hat es aus Nostalgiegründen gekauft und erhalten. In @Hanabi's Video sieht man die Beschickung einer Retorte mit Holz. Kann jemand erkennen um welche Art von Holz es sich handelt ? Ich vermute Faulbaum oder Weide. Die Stein im Krain Mühle hatte 6 solcher Retorten und 6 Pressen. Im Film wurden die Metallgestelle mit holz komplett in die Retorte geschoben. In Stein 1871 wurden die Gestelle nur angesetzt und das Holz mit einem Deckelschieber dann in die Retorte komplett eingeschoben. In Aubonne arbeiten heute nur noch 6 Arbeiter. Das Feuerwerkspulver das ich von Kamnik früher gesehen habe wurde vor 150 Jahren als unfertiges "grünes Pulver" bezeichnet (nicht entstaubt und nicht poliert). Für pyrotechnische Sätze, als Zumischpulver ist das auch nicht notwendig. aber als Ausstoßpulver ist es ein viel angenehmeres arbeiten mit poliertem Korn.
    Die Preßwalze (kann man im film sehen) macht 5 Umdrehungen in der Stunde und übt 25 tonnen Druck aus. Die Dichte des damaligen Militätpulvers mußte zwischen 1,7 und 1,73 liegen. Alle Maschinen in der Pulvermühle wurden durch Wasserkraft angetrieben. K.k. Pulverfabrik 1871.PNG
     
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